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Gemeinsam im Boot und nun auch in einer Firma. Ronald Rauhe (vorn) und Jonas Ems paddeln im August bei den Olympischen Spielen auf dem Dorney Lake.

© imago/Camera 4

Sport: Von Konkurrenten zu Compagnons

Ronald Rauhe vom Kanu-Club Potsdam paddelt bei Olympia in London solo und gemeinsam mit Jonas Ems aus Essen um Edelmetall. In Trainingslagern entwickelten beide ein Kraftgerät, das sie Ende August am Brandenburger Beetzsee vorstellen wollen

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Ronald Rauhe ist erleichtert. „Ich hatte schon die schlimme Befürchtung, dass es Pfeiffersches Drüsenfieber sei. Das wurde aber ausgeschlossen. Es war nur ein Virusinfekt, der mich vier Tage mit fast 40 Grad Fieber außer Gefecht setzte“, sagt der Kanute des KC Potsdam im OSC über seine plötzliche Erkrankung vor 14 Tagen. „Inzwischen kann ich wieder planmäßig trainieren und mich auf London freuen.“ In Duisburg will er sich ab dem heutigen Donnerstag gemeinsam mit der gesamten Flotte des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) den letzten Feinschliff für erfolgreiche Olympische Spiele holen.

Westlich Londons wird Ronald Rauhe im August auf dem Dorney Lake zweifach um olympische Meriten sprinten. Jeweils über 200 Meter paddelt er im Einer- und mit Jonas Ems aus Essen im Zweierkajak. „Das passt vom Zeitplan her, und mit dem Doppelstart habe ich doppelte Medaillenchancen“, erklärt der 30-Jährige, der dann einen großen Familien-Fanklub zum Anfeuern auf der Tribüne weiß. Mutter Sabine und Vater Lutz werden ebenso an die Regattastrecke kommen wie Schwester Christin, Opa Herbert sowie seine Freundin Fanny Fischer, die vor vier Jahren selbst Kanu-Olympiasiegerin wurde und im vergangenen Jahr das Paddel endgültig in die Ecke stellte.

Rauhe fuhr in seiner langen Karriere als Kanute schon oft parallel im K1 und K2. Seine bisherige Sternstunde erlebte er 2004 in Athen, wo er mit seinem langjährigen Erfolgspartner Tim Wieskötter Olympiasieger im Zweierkajak über 500 Meter wurde. Vier Jahre zuvor waren die beiden in Sydney als Youngster zu Bronze gepaddelt, vier Jahre später in Peking als große Favoriten von den Spaniern Saúl Craviotto und Carlos Pérez überraschend auf Platz zwei verwiesen worden. Bei Weltmeisterschaften holte das Duo sechs Titel über den halben Kilometer – dann wurde diese Strecke 2009 aus dem olympischen Programm gestrichen. Und während sich Wieskötter fortan der Langdistanz verschrieb, konzentrierte sich Rauhe auf die nun olympischen 200 Meter, auf denen er zuvor bereits viermal Weltmeister geworden war.

Mit der Aufnahme des Sprints ins Olympiaprogramm konzentrierten sich aber auch mehr Länder als zuvor auf diese Disziplin, in der die Paddler solo nicht mal 35 Sekunden nach dem Start bereits im Ziel sind. Rauhe wurden die Erfolge auf dieser kurzen Distanz folglich immer schwerer gemacht, und seinem Doppelsieg im Einer 2009 über 200 und 500 Meter folgten 2010 Platz zwei und 2011 Rang drei im Solo-Sprint. „Auf dieser Strecke kann ein Wimpernschlag über Sieg oder Niederlage entscheiden. Ein einziger Wackler oder anderer Fehler – und schon ist die Medaille weg“, erklärt der in Falkensee wohnende leidenschaftliche Motorradfahrer, der seit 2004 für Potsdam das Paddel durchs Wasser pflügt, lange von Rolf-Dieter Amend trainiert wurde und inzwischen daheim im Luftschiffhafen vom Sprint-Bundescoach Clemens Paarmann betreut wird.

Seit dem vergangenen Jahr fährt Ronald Rauhe auf der Sprintstrecke doppelgleisig, und mit Jonas Ems hat er dabei erneut einen Partner gefunden, „der passt“, wie er selbst meint. „Bis dahin waren wir Rivalen im Einer und hatten auch im Alltag ein gesundes Konkurrenzverhalten“, erzählt der Potsdamer. „Wir hätten beide nie gedacht, dass es gemeinsam mal so gut klappen würde.“ Eigentlich sollte Ems 2011 gemeinsam mit Martin Roßdeutscher aus Dresden im K2 für Deutschland sprinten, doch Roßdeutscher wurde krank und so kam probeweise der KC-Paddler in den Zweier. „Das klappte besser als gedacht", erinnert sich Rauhe. „Ich war ja schon jahrelang Zweier gefahren und habe mit meiner Erfahrung schnell gespürt, dass da was drin sein kann.“ Seitdem stellen sich der 1,79 Meter große Sportsoldat und Student als Schlagmann und der 1,91 Meter große Jonas Ems hinter ihm im K2 der internationalen Konkurrenz. Bei den Europameisterschaften 2011 in Belgrad mussten die beiden als Neunte noch Lehrgeld zahlen. Bei den WM in Szeged sprang Platz fünf heraus, und bei den diesjährigen EM in Zagreb gewann das Duo Silber hinter den Briten Liam Heath/Jonathon Schofield.

„Da haben wir gemerkt, dass der Abstand zur internationalen Spitze kleiner geworden ist, und gespürt, dass auch jetzt in London etwas drin sein kann“, so Ronald Rauhe. In Zagreb benötigten die beiden Deutschen 31,78 Sekunden und 90 Paddelschläge bis ins Ziel. „Das sind etwa 180 Schläge in der Minute und drei in der Sekunde“, rechnet Rauhe laut vor. „Freud und Leid liegen im Sprint dicht beisammen. Wir können ganz vorn ankommen oder auch Neunte werden.“

Traditionell werden die Rennpaddler bei den Olympischen Spielen die letzten Athleten sein, die für Deutschland auf Medaillenjagd gehen. „Die Eröffnung in London erleben wir nur vor dem Fernseher, auch andere Wettkämpfe der Spiele können wir nicht live verfolgen. Wir Sprinter fliegen sogar erst drei Tage nach den anderen Kanuten nach London“, erzählt Ronald Rauhe, der bedauert, bei seinen vierten Olympischen Spielen erstmals nicht mit der großen Sportlerfamilie im Olympischen Dorf zu wohnen. Die Paddler wie vor ihnen schon die Ruderer beziehen ein gesondertes Domizil in Studentenunterkünften der Eliteuniversität Eton nahe der Regattastrecke Dorney Lake. „Das ist schade, denn die Atmosphäre im olympischen Dorf ist immer einmalig“, schwärmt Rauhe, der gemeinsam mit Ems, wenn sie es erreichen, das allerletzte Finale der Kanu-Wettkämpfe am 11. August um 10.41 Uhr – gut eine Stunde nach dem Einer-Endlauf – bestreiten wird. „Wir hoffen, anschließend noch ins olympische Dorf nach London und zur Abschlussfeier zu kommen, ehe wir mit der gesamten deutschen Mannschaft auf der MS Deutschland zurück nach Hamburg fahren“, sagt der Potsdamer.

Rauhe und Ems sind sich einig, auch nach Olympia 2012 die Rennpaddel zu schwingen. „Wir machen beide weiter“, bestätigt der 25-jährige Essener. Zumal die beiden Kanuten außerhalb des Kajaks ebenfalls „auf einer Wellenlänge liegen“, so Ronald Rauhe. Gemeinsam haben beide auch eine große Technikbegeisterung, die sie nun sogar eine gemeinsame Firma gründen ließ. „In den Trainingslagern haben wir in unserer Freizeit aus Langeweile begonnen, ein Trainingsmittel für Kanuten zu entwickeln, das wir nun nach den Olympischen Spielen erstmals präsentieren wollen“, erklärt Ronald Rauhe. „Es handelt sich dabei um ein spezifisches Kraftgerät, mit dem man den Einzelschlag trainieren kann. Wir haben jetzt den Prototyp gebaut, die Patentanmeldung läuft gerade, und bei den Deutschen Meisterschaften Ende August in Brandenburg wollen wir das Gerät erstmals präsentieren.“ Auf dem Beetzsee werden die beiden Olympia-Hoffnungen dann im Einer allerdings wieder gegeneinander paddeln.

Henner Mallwitz

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