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Promotion in Potsdam. Doktorand Nicholas Miller (24) mit seinem Betreuer Professor Iwan-Michelangelo D’Aprile (l.).

© UP/Karla Fritze

Homepage: Von Oxford nach Potsdam

Für den US-Amerikaner Nicholas Miller ist Potsdam die richtige Wahl. In einer Graduiertenschule schreibt er seine Dissertation

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Viel Zeit, Erwartungen zu formulieren, blieb ihm nicht. Nachdem Nicholas Miller im Januar 2010 die Zusage für einen Platz in der Marie-Curie-Graduiertenschule „Englobe“ erhalten hatte, musste alles sehr schnell gehen. Und wie! Schon vier Wochen später stand der gebürtige Kalifornier auf dem Uni-Campus Am Neuen Palais. Hinter ihm lag der nervenaufreibende Umzug von Chicago nach Potsdam. Vor ihm die erste Begegnung mit den Koordinatoren des EU-geförderten Doktorandenprogramms, das sich mit dem Thema „Aufklärung und Globalgeschichte“ beschäftigt.

Die neue Umgebung gefiel dem 24-Jährigen sofort. Auch deshalb, weil sich Universität und Stadt in der Größenordnung kaum von seinem bisherigen Studienort unterschieden: Miller hatte zuvor an der renommierten University of Oxford ein Master-Studium zur „Geschichte der Frühen Neuzeit“ absolviert. Für den Historiker ist Potsdam die richtige Wahl. Er hätte auch nach Cambridge gehen können. „Aber das war nur eine halbe Alternative“, erzählt er. „Die hohen Studiengebühren von 13 000 Euro pro Jahr, zusätzlich zu den Lebenshaltungskosten, waren unerschwinglich.“ Und amerikanische Stiftungen vergeben ihre Stipendien nur an solche Bewerber, die vorher noch nicht in Großbritannien gelebt haben.

Drei Jahre will Nicholas Miller in Potsdam bleiben. Das ist eine knappe Zeit für eine Dissertation. „Es ist die Kehrseite des Bologna-Prozesses“, erläutert der Wissenschaftler. „Man versucht, Promovenden in strukturierte Programme einzubinden, damit sie nicht sieben oder acht Jahre ziemlich allein gelassen vor sich hin schreiben. Die mit diesen Programmen verbundenen zusätzlichen Aktivitäten aber kosten Zeit, die anderswo fehlt.“ Nichtsdestotrotz: Miller liegt im persönlichen „Fahrplan“ und ist mit sich zufrieden. Er schätzt die Potsdamer Bedingungen und lobt die gute Arbeitsatmosphäre, sowohl auf formaler als auch informeller Ebene. Die Kommunikation unter den Doktoranden funktioniert reibungslos und ist relativ intensiv. Jeder besitzt die Chance, bei Konferenzen aufzutreten, eigene Aktivitäten zu organisieren und vorab publizieren zu können. Das erweist sich als lukrativ. Wer am Englobe-Programm teilnimmt, darf Mobilität nicht scheuen. Sie ist bereits Bedingung bei der Aufnahme: Die Stipendiaten dürfen nicht in dem Land promovieren, in dem sie bereits länger als drei Jahre leben. So mussten alle ihre Universitäten wechseln. Insgesamt sind neben der Potsdamer acht weitere Hochschulen direkt involviert. Als Partner fungieren aber auch Kultureinrichtungen und außereuropäische Universitäten. Insgesamt entstehen 14 Dissertationen. Die jungen Wissenschaftler untersuchen den Zusammenhang von Aufklärung und Globalgeschichte aus sehr unterschiedlichen disziplinären Perspektiven. Nicholas Miller will in seiner Arbeit Familienstrukturen im 18. Jahrhundert vergleichen und ihre Verschiedenheiten aufspüren. Wie haben sich außereuropäische Erfahrungen auf das Verständnis europäischer Familienstrukturen ausgewirkt? Das ist eine Frage, die ihn interessiert.

Dass der Oxford-Absolvent überhaupt in Potsdam weilt, ist kein Zufall. Das Projekt ist international ausgeschrieben worden. Die Universität hat dessen Koordinatoren Günther Lottes und Iwan-Michelangelo D'Aprile mit finanziellen Mitteln unterstützt, damit das Programm über den vorgegebenen Rahmen hinaus bekannt wurde. Nicholas Miller las davon in der „London Review of Books“ und so gehörte er zu den rund 1000 Interessenten, von denen schließlich 140 ihre ausführlichen Unterlagen einschicken durften. „Für Potsdam sprach unter anderem der gute Ruf der deutschen akademischen Kultur“, erinnert sich Miller.

Nach den im Vergleich zu Oxford vermutlich anderen Arbeitsbedingungen gefragt, antwortet der junge Mann, dass die gar nicht schlechter seien als in seinem einstigen Studienort. „Ich musste häufig Einrichtungen in London aufsuchen“, sagt er. „Das bedeutete zwei Stunden Zugfahrt. Da Berlin und Potsdam enger beieinander liegen, ist es hier sogar einfacher.“

Nicholas Miller wohnt in der Hauptstadt, wo er schon einige amerikanische und auch deutsche Freunde gefunden hat. So wird die Zeit in Deutschland für ihn wohl viel zu schnell verstreichen. „Aber wer weiß“, bemerkt sein Betreuer D'Aprile, „wenn sich der deutsche akademische Arbeitsmarkt weiter in diesem Tempo internationalisiert, ist eine Fortsetzung ja nicht ausgeschlossen.“

Petra Görlich

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