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Homepage: Von Rom nach Potsdam

Francesca Yardenit Albertini ist neue Professorin für jüdische Religionsgeschichte an der Universität Potsdam

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Zur Zeit lernt sie Chinesisch. Denn es ärgerte sie, dass sie sich während einer Urlaubsreise durch China kaum verständigen konnte. Dabei kann Francesca Yardenit Albertini bereits elf Sprachen, nicht gezählt die Grundkenntnisse in Spanisch und Sanskrit. Ungewöhnlich erscheint ihr dieses Talent keineswegs. „Ich spreche doch immer nur Italienisch“, sagt sie lächelnd und verweist auf den, kaum hörbaren, Akzent.

Es war ihr Großvater, der sie ermahnte, viele Sprachen zu lernen. Je mehr Sprachen ein Jude kann, umso mehr Chancen habe er zu fliehen. Fremdsprachen als Lebensversicherung. Weil er kein Englisch konnte, gelang ihm die Flucht in die USA nicht. Dass er dennoch den Faschismus überlebte, verdankte er einem Kloster, das ihn versteckt hielt. Die Enkelin hat den pragmatischen Rat befolgt, jedoch aus einem noch ganz anderen Antrieb. Denn Sprachen sind nicht nur ein Vehikel der Verständigung, sondern auch ein wertvoller Schlüssel für das Verstehen fremder Kulturen. Die Erkenntnis, dass die eigene Kultur auch von anderen Kulturen geprägt ist und immer war, wurde zu einem Leitfaden des akademischen Werdegangs der Religionsphilosophin. Der führte sie von Rom nach Freiburg und schließlich nach Potsdam, mit zahlreichen Abstechern in Form von Lehraufträgen und Forschungsreisen unter anderem in die USA und nach Israel. 1993 schloss sie das Abitur mit der höchsten Punktzahl ab, die überhaupt vergeben wird. Vier Jahre später gelang ihr dasselbe an der Universität, wo sie zunächst Religionswissenschaft, später auch Ägyptologie, Judaistik, Geschichte und Kunstgeschichte studierte. Die jüdische Religionsphilosophie wurde ihr Hauptfach.

Was ihr fehlte, war die christliche Theologie. Eigentlich kein Problem für eine Römerin, schließlich gibt es in dieser Stadt die Gregoriana, eine der päpstlichen Universitäten. Die hätte sie als Jüdin aber nur als Gasthörerin besuchen dürfen. Das genügte ihr nicht. Im Telefonbuch der Stadt fand sie zu ihrer Überraschung eine Evangelisch-Theologische Fakultät. 2001 legte sie ihr Diplom in evangelischer Theologie ab. Im selben Jahr promovierte sie in Freiburg im Fach Philosophie. Im März 2007 reichte sie ihre Habilitationsschrift ein und erhielt noch im selben Monat den Ruf nach Potsdam auf den Lehrstuhl für Jüdische Religionsgeschichte.

Vermutlich wird die zierliche Frau oft für eine Studentin gehalten. Nicht nur, weil sie Begeisterung statt Arroganz ausstrahlt, sondern auch, weil sie mit gerade 33 Jahren eine außerordentlich junge Professorin ist. In ihrem geräumigen Büro am Neuen Palais reichen die Regale bis zur Decke. Aber sie sind noch leer. Keine Ordner, keine Bücher, es sieht alles nach einem Anfang aus. Der Reiz, etwas Neues aufzubauen, war es auch, der Albertini nach Potsdam lockte. Für das erst vor wenigen Monaten gegründete Institut für Jüdische Studien schlug sie sogar einen Ruf nach Frankfurt am Main aus.

Die Zielstrebigkeit ihrer akademischen Laufbahn lässt sich kaum zusammen denken mit der Vielfalt der Forschungsinteressen der jungen Professorin, die zudem auch noch als Lektorin und Übersetzerin gearbeitet hat. Es interessieren sie nicht nur jüdische Philosophen von der Antike bis zur Gegenwart und die religiösen Kulturen, die sie beeinflusst haben. Sie will auch untersuchen, welche Antworten die verschiedenen Religionen auf aktuelle Fragen, etwa die Bioethik geben.

Wenn Albertini ihr wissenschaftliches Credo umreißt, klingt das bescheiden. Enthusiastisch erzählt sie von ihren Forschungsreisen in die Universitätsbibliotheken von Jerusalem und Cincinnati. „Eigentlich ernten wir Wissenschaftler doch nur den Ruhm, der den Bibliothekaren gebührt, die all das Material zur Verfügung stellen.“ Ihre Aufgabe sei, Wissen zur Verfügung zu stellen und strukturiertes Denken zu lehren. Eine Arbeitstechnik also, und eine Arbeitsethik: „Studierende sind keine leeren Vasen, in die ich meine Wahrheit hineingieße.“

Von den Potsdamer Studierenden spricht sie mit Respekt und Sympathie. Der Mut, mit dem sich viele von ihnen, die im säkularen Brandenburg ohne Vorkenntnis aufwuchsen, dem Wissensfeld der Religionen stellen, imponiert ihr. Sie selbst wuchs in einem konservativ-jüdischen Elternhaus auf und wandte sich mit Mitte 20 dem Reformjudentum zu. Aber das sei Privatsache. Die Uni sei nicht der Ort für konfessionelle Bekenntnisse.

200 Neueinschreibungen allein für dieses Semester belegen die Notwendigkeit des Ausbaus der Jüdischen Studien. Eine Aufgabe, der sich die junge Professorin mit viel Engagement stellt. Widerstände habe sie noch keine gespürt, im Gegenteil, gerade konnte sie zwei neue Lehraufträge für den Sprachunterricht durchsetzen.

Francesca Yardernit Albertini spricht in der Ringvorlesung zur „Kommunikation mit dem Teufel“ am 21. November über „Satan im Buch Hiob“, 17.15 Uhr, Neues Palais, Haus 9, Raum 2.16.

Lene Zade

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