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Kreuzblütler. Die Kapuzinerkresse.

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Die Kapuzinerkresse kann sich selbst reinigen

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Im Botanischen Garten der Universität Potsdam gibt es zahlreiche exotische und heimische Pflanzen zu bewundern. In den PNN stellt Kustos Michael Burkart einmal im Monat eine dieser Pflanzen vor.

Für Wilhelm Barthlott, frischgebackener Doktorand an der Universität Heidelberg, ging ein Wissenschaftlertraum in Erfüllung: Als einer der ersten Botaniker in Deutschland konnte er in den 1970er Jahren mit dem Raster-Elektronenmikroskop die bis dahin kaum untersuchten Mikro- und Nanostrukturen auf der Oberfläche von Pflanzen erforschen, die jetzt erstmals gestochen scharf abbildbar waren. Begeistert nutzte Barthlott die neuen Merkmale für die Abgrenzung von Pflanzenarten.

Für die Untersuchung müssen die Oberflächen zunächst gereinigt werden. Dabei fiel Barthlott auf, dass die Blätter bestimmter Arten schon von selbst blitzsauber waren. Bei genauerer Untersuchung stellte sich überraschenderweise heraus, dass diese Oberflächen nicht glatt waren, sondern stets rau und zugleich stark wasserabweisend. Diese Eigenschaften gehen auf Nanostrukturen aus Wachs zurück. Anhaftende Schmutzpartikel werden von abrollenden Wassertropfen mitgerissen, so dass die Oberfläche selbstreinigend ist. Zu den ersten Pflanzen, an deren Blättern dieser Selbstreinigungseffekt experimentell nachgewiesen wurde, gehört die Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) aus Südamerika, heute eine verbreitete Gartenpflanze.

15 Jahre später griff Barthlott den Faden wieder auf. Da war er bereits Professor und Direktor des Botanischen Gartens in Bonn. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Christoph Neinhuis und weiteren Partnern wurden unter dem Markennamen Lotus-Effect® aus dem biologischen Vorbild technische Anwendungen für selbstreinigende Oberflächen entwickelt. Auch die Lotosblume hat eine selbstreinigende Oberfläche. Barthlott wurde dafür mit mehreren Preisen geehrt. Wilhelm Barthlott ist einer der erfolgreichsten Gartendirektoren der letzten Jahrzehnte in Deutschland. Neben der Bionik war er auch auf etlichen weiteren Feldern aktiv, zum Beispiel bei der Biodiversitätsforschung. Neinhuis ist inzwischen selbst Professor und Direktor des Botanischen Gartens der Technischen Universität Dresden. Die Übertragung natürlicher Vorbilder in technische Anwendungen nennt man Bionik.

Die Kapuzinerkresse hat noch weitere interessante Eigenschaften. „Kresse“ heißt sie, weil sie durch ein bestimmtes Senföl kresseartig scharf schmeckt. Junge Blätter, besonders aber die bunten Blüten sind lecker und dazu sehr hübsch in Salaten; die Früchte kann man sauer eingelegt wie Kapern verwenden. Senföle als Inhaltsstoffe hat die Kapuzinerkresse mit den Kreuzblütlern gemeinsam, mit denen sie recht eng verwandt ist. Der geschmacklichen Nähe zur Gartenkresse, einem Kreuzblütengewächs, entspricht also eine abstammungsgeschichtliche. Auch Rotkohl ist ein Kreuzblütler, auch seine Blätter sind selbstreinigend, wie aufliegende Wassertropfen nach einem Regen zeigen.

Im Potsdamer Botanischen Garten wird am Freitag die Ausstellung „Was die Technik von Pflanzen lernen kann – Bionik in Botanischen Gärten“ eröffnet (Maulbeerallee 2, 9.30 Uhr). Die Ausstellung, an der Christoph Neinhuis maßgeblich mitgearbeitet hat, ist zeitgleich in etlichen Botanischen Gärten zu sehen, in Potsdam bis 3. Oktober. Sie zeigt lebende pflanzliche Vorbilder und deren technische Übertragung, darunter selbstverständlich auch Lotosblume und Kapuzinerkresse. Am 19. Juni gibt es eine Führung durch die Ausstellung (15 Uhr). Michael Burkart

Michael Burkart

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