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Landeshauptstadt: Von Silikondoping und Cellulitis

Optik-TÜV und „innere“ Werte: Im Autohaus Ehrl wurden Miss und Mister Potsdam gewählt

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Babelsberg - Bei Autos und bei Schönheitswettbewerben gilt: Es geht - natürlich - immer nur um die „inneren“ Werte. Der Sachverständige will wissen, was wirklich „unter der Haube“ ist. Die Symbiose zwischen Autohaus und Miss- und Mister-Potsdam-Wahl war also naheliegend, und wurde am Samstagabend beim Kfz-Händler Ehrl als „Red Night“ an der Nutheschnellstraße vollzogen.

Massige Türsteher in Anzug und Schlips sollen das Fest, zu dem auch Kunden italienischer Automarken geladen wurden, aufwerten. Kein Wunder, dass Ferraris im Stadtbild selten sind. Einer der wenigen Exemplare steht ziemlich lädiert direkt neben dem Eingang auf einer Hebebühne.

Der Laufsteg für die 16 Mädchen und acht Jungs, die sich dem Optik-TÜV der Jury unterziehen wollen, verläuft quer durch die Glashalle. Vielleicht 200 Schaulustige und zehn Kameras in Männerhand warten, wo sonst Gebrauchtwagen stehen. Die Sonnenbrillen der DJs sind einen Tick zu dunkel, ihre Kopfbedeckungen einen Hauch zu extravagant, die Musik ein wenig zu dröhnend, um wirklich den Kunden schnittiger Edelmarken zu erreichen. Im vergangenen Jahr wurde der Contest noch vor S-Bahn-Fahrgästen in den Bahnhofspassagen ausgetragen.

Ungefähr 25 ähnliche Ausscheidungen führt die Agentur „Miss Germany Corporation“ im jedem Bundesland nach demselben Muster durch. Zunächst qualifizieren sich die Gewinner zur Wahl von Miss und Mister Brandenburg. Zum Schluss besteht für sie sogar die Möglichkeit, Miss und Mister Germany zu werden.

Zu dröhnender Musik steigen die Kandidaten eine Treppe herunter und landen vor der achtköpfige Jury. Unter ihnen die aktuelle Miss Germany, Nelly Marie Bojahr. Die Achtzehnjährige aus Kleinmachnow trägt den ganzen Abend ein bezauberndes Lächeln zu ihrem Krönchen. Ihr Miss-Dasein möchte sie nicht mehr missen, sagt sie. Auch die Berliner Schauspielerin Anne-Sophie Briest ist dabei. Bekannt wurde sie durch den TV-Movie „Natalie - Endstation Babystrich.“ Briest sagt, sie wisse worauf es ankommt. Dass die Teilnehmer Ausstrahlung haben, Potsdam repräsentieren und begeistern können. „Arschgeweih und auberginefarbene Haare“ hätten keine Chance.

Die Mädchen treten zunächst im „selbstgewählten Outfit“ auf. Das sind glänzende, knöchellange Kleider in Metalliclackierung. Außer bei Misswahlen kann man so etwas höchstens noch zur Jugendweihe anziehen. Die Jungs tragen schlecht geschnittene Anzüge. Immer wieder traben die Kandidatinnen über den schmalen Steg, Nummern in der Hand, drehen sich zu Jury und Publikum, und beenden leichte Sätze, die die Moderatorin Carmen Franke erfindet: „Am liebsten schaue ich im Fernsehen ...?“

Nasia hat ein verdächtig üppiges Dekolleté. Das Wort „Silikondoping“ macht die Runde. Lisa überragt mit 1,83 Metern alle Konkurrentinnen. Sie sei die einzige ohne Cellulitis, heißt es gnadenlos von der Jury nach dem Auftritt in Tankinis. Bikinis, bei denen man das Top gegen ein enges T-Shirt getauscht hat. Die Jungs kommen bei den Frauen im sonst eher passiven Publikum am besten an. Gabriel, Potsdamer Student mit schulterlangem Haar, fliegt als Mogelpackung auf. Sein heller Oberkörper kann in der Runde in Boxershorts mit der rasierten Studiobräune der Konkurrenz nicht mithalten. Während ausgezählt wird, singt Jurymitglied Nico Raecke, ein grimmig drein schauender junger Mann in billigem weißen Anzug. Einer der letzten 20 Kandidaten von Bohlens Superstar-Sendung. Gogo-Tänzerinnen lassen inzwischen Ober- und Unterkörper kreisen.

Mister Potsdam wird schließlich Ricardo Will. Der Spandauer Schüler ist während seines Jobs bei „Burger King“ angesprochen worden. Nun freut er sich wirklich. Und Lisa darf sich „Miss Potsdam 2007“ nennen. Die 17-jährige Abiturientin aus Frankfurt (Oder) kennt das Gefühl. Sie war schon Miss Niederlausitz. Am Ende werden an alle Teilnehmer Preise verteilt. Das Autohaus schenkt jedem eine Tragetasche. Die andere Hand bleibt frei für Blumen, eine Einkaufstüte mit Sonnenpflegeprodukten, ein Handtuch und diverse Gutscheine. Die Brüste von Miss und Mister Potsdam 2007quert eine schwarz-rot Schärpe mit dem Aufdruck eines großen Vergnügungsparks in Süddeutschland. Dort findet im nächsten Jahr dann das Finale statt.

Matthias Hassenpflug

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