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Landeshauptstadt: Von wegen Bowlingbahn

Fünf Architekten der Potsdamer Fachhochschule haben am Wettbewerb für den Langen Stall teilgenommen – ohne voneinander zu wissen. Gewonnen hat am Ende ein Berliner.

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Innenstadt/Bornstedter Feld - Vereint hätten sie vielleicht gewonnen. Doch sie wussten voneinander nicht. Fünf Lehrkräfte der School of Architecture der Potsdamer Fachhochschule – vier von ihnen sind Professoren – haben völlig unabhängig voneinander am Architekturwettbewerb für den Langen Stall an der Potsdamer Plantage teilgenommen. Keiner von ihnen gewann. Der Siegerkranz ging im Sommer 2012 an das Berliner Büro von Stephan Höhne. Der Bauantrag ist am 21. Dezember 2012 im Bereich Bauaufsicht eingegangen, teilte die Bauverwaltung am Donnerstag auf PNN-Anfrage mit. Eine Genehmigung sei noch nicht erteilt worden, ein Baubeginn Mitte 2013 realistisch. Investor ist die Bremer Asset-Gruppe von Ingo Damaschke, die auch das angrenzende Brockessche Haus sanieren will.

Als sich die fünf Geschlagenen mit ihren Entwürfen am Mittwochabend im großen Hörsaal an der Pappelallee ihren Studenten und interessierten Potsdamern stellten, war der Gram längst überwunden. Bernd Albers, Markus Löffler, Ludger Brands, Dieter Eckert und Jan Kleihues witzelten miteinander im Sinne von: „Nennst du mich Goethe, nenn ich dich Schiller“ und lieferten sich eine hochkarätige Architekturdiskussion. „Mir gefallen deine Grundrisse besser als meine“, sagte Löffler zu Kleihues. Und dieser wiederum – Architekt der neuen Bundesnachrichtenzentrale in Berlin – klopfte Bernd Albers auf die Schulter: „Ich habe mich das, was Bernd gemacht hat, nicht getraut.“

Verstecken müssen die Professoren ihre Entwürfe keineswegs; immerhin hat Löffler zusammen mit den Potsdamer Architekten Christopher Kühn und Markus Engel einen von der Jury sehr gelobten dritten Preis errungen; immerhin hat Bernd Albers mit seiner Beinahe-Rekonstruktion gleichsam den auf gewisse Weise spektakulärsten Entwurf abgeliefert. Auf einen „König des Abends“, wie von Moderator Professor Klaus Theo Brenner angeregt, wollte sich die Studentenschaft am Ende nicht einigen.

In kurzen Vorträgen skizzierten die fünf ihre Planungsprämissen. Für Ludger Brands „ist nicht der Status quo, sondern die Geschichte des Ortes der wichtigste Anknüpfungspunkt“. Es gehe nicht darum, sich als Architekt „mit einem Raumschiff zu exponieren“ – sprich: Keine Häuser zu entwerfen, die wie ein gelandetes UFO nichts mit der Umgebung zu tun haben. Brands entwarf den Langen Stall als „Persius-Arkaden“; als Vorbild dient ein nie realisierter Entwurf von Ludwig Persius (1803-1845) und Ferdinand von Arnim (1814-1866). Das 1960 abgerissene Palais von Georg Christian Unger (1743-1799) an der Yorckstraße plante Brands gleich mit: „Ich habe das mal ,Palais Valmarana’ genannt“, erklärte Brands – als Vorbild diente wohl der Palazzo Valmarana des Renaissance-Architekten Andrea Palladio (1508-1580) in Vicenza.

„Wohnen und Stall“ waren für Volker Eckert nicht unter einen Hut zu bringen. Daher sei der Ort für ihn maßgeblich gewesen. „Wenn wir die Antwort auf die entscheidende Frage gefunden haben, suchen wir nach Vorbildern“, sagte Eckert. Gefunden hat er sie in den Londoner „Terraced Houses“, ihm sei es darum gegangen, „den alten Straßenhaus-Charakter wiederherzustellen“.

Jan Kleihues bekannte zunächst: „Wenn ich gewusst hätte, dass ich gegen so viele antrete, hätte ich mich mehr angestrengt.“ Er sprach in seinem Vortrag die Frage an, mit der sich wohl alle Architekten – bei aller architekturhistorischen Herleitung – am deftigsten rumzuschlagen hatten: „Wie bekomme ich Licht in so ein tiefes Gebäude?“ Der Lange Stall misst 22 Meter in der Breite, Kleihues reagierte darauf mit kleinen Lichthöfen, was ihm deshalb möglich war, weil er kein Schrägdach – das prägende Element des knapp 170 Meter langen Stalls –, sondern ein Flachdach geplant hat. Besonderer Aspekt des Kleihues-Entwurfes: Die alte Feuerwehr, für die die Stadt in dem Wettbewerb ebenfalls Vorschläge sehen wollte, könnte erhalten werden. Kleihues will Maisonette-Wohnungen darin unterbringen.

Markus Löffler fasziniert „die barocke Art zu denken“, die der Lange Stall versinnbildliche, „das Denken in Widersprüchen“: Hier die noch erhaltene Schaufassade zur Breiten Straße, dahinter der Lange Stall, „Licht und Schatten“. Diese Ambivalenz habe er wiederherstellen wollen; die Geschichte solle wieder deutlich gemacht werden. Wobei Löffler nicht von Imitation des Langen Stalls, sondern von Transformation sprechen will. Das sieht Bernd Albers anders: Für ihn gilt es, „nichts zu erfinden“, sondern den Langen Stall wiederaufzubauen. Sein Motto: „So viel Stall wie möglich.“ Folglich übernimmt Albers das Schrägdach, verwendet aber schräge Glasflächen statt Ziegel und zieht darüber ein Lamellen-Dach. „Wohnen im Dach“, sagt er, „ist woanders eine Attraktion erster Güte“.

In der Debatte meldete sich Barbara Kuster, Bürgerinitiative Mitteschön, und stellte ihre Nähe zu Albers klar: „Ich kann mir da nichts anderes vorstellen als den Langen Stall.“ Aber müssten es Wohnungen sein? Sei nicht eine öffentliche Nutzung – etwa als Skulpturen- oder Kunsthalle, „ohne Hasso Plattner zu erwähnen“ – nicht besser geeignet? Dazu Bernd Albers: „Wohnen hat keine spezielle Form.“ Der Funktionalismus habe dem Wohnen nur eine bestimmte Form aufgedrängt. „Wohnen ist in allen Konstellationen möglich.“ Nur weil der Lange Stall lang ist, sei er nicht dazu verurteilt, als Bowlingbahn wiederaufzuerstehen.

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