Von Thomas Gantz: Vor einer Spielzeit der Selbstfindung
Die Zweitliga-Handballer des 1. VfL Potsdam starten morgen mit einem Heimspiel gegen die HSG Varel in eine mit Spannung erwartete Relegationssaison / Jörg Reimann kehrt offenbar aus Pirna zurück
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Der Handballtrainer Rüdiger Bones gehört jener seltener gewordenen Spezies an, die in ihrem Beruf noch einen Ruf zu verlieren hat. Der 51-jährige Diplomsportlehrer arbeitete in den vergangenen Jahren mit Erfolg im Frauenbereich (u.a. BVB 49 Berlin, SC Markranstädt), ehe er im Juli recht kurzfristig ein Engagement beim Männer-Zweitligisten VfL Potsdam annahm. Bones tat dies im Wissen, dass ihn eine ebenso interessante wie anspruchsvolle Aufgabe erwartet. Mit dem morgigen Heimspiel gegen die HSG Varel (19.30 Uhr, Sporthalle Heinrich-Mann-Allee) starten die Potsdamer in die mit Spannung erwartete Ausscheidungsspielzeit zur eingleisigen 2. Bundesliga, an deren Ende ein neunter Platz ausreicht, um sich direkt für die neue Spielklasse zu qualifizieren. „Wir wollen dort dabei sein“, sagte Bones am Rande des Dienstagtrainings und deutete darauf, dass der Tabellenachte der Vorsaison dabei einer ebenso logischen wie banalen Strategie folgt. Bones: „Wir müssen ganz einfach Spiele gewinnen. Sieg oder Sibirien wird es in der Endabrechnung heißen.“
Unmittelbar vor Saisonbeginn überrascht der VfL mit Lockerheit. Rüdiger Bones hat daran, wie einige Spieler bestätigen, gehörigen Anteil. Die Ära des innerhalb von drei Jahren als Trainer beim VfL Potsdam Maßstäbe setzenden Peter Melzer rückt mehr und mehr in den Hintergrund. Bones’ Umgang in der täglichen Arbeit mit den Spielern wirkt zeitgemäßer. Wo Melzer speziell am Anfang seiner Potsdamer Jahre häufig verbal den Eindruck vermittelte, als müsse er sich permanent vor sich selbst verbeugen und den Spielern immer mal wieder Vorhaltungen machen, wer denn hier nun Koch und wer Kellner sei, übt sein Nachfolger Zurückhaltung. Der sich mit Victor Pohlack das Kapitänsamt teilende Enrico Bolduan bestätigte gestern, dass der ohnehin immer intakt gewesene Mannschaftsgeist jetzt vom Trainier in trefflicher Form ergänzt wird.
Mitbekommen hatte dies offenbar auch Jörg Reimann, der zwischen 2007 und 2009 als Kreisspieler einer der Publikumslieblinge des VfL Potsdam war, dann jedoch nicht mit in die Zweite Liga ging und stattdessen zum Regionalligisten Lok Pirna wechselte. Dieses von etlichen Anhängern mit Verdruss aufgenommene Missverständnis wird nun offenbar korrigiert. Der 25-Jährige hat seinen Vertrag in Pirna mittlerweile aufgelöst. Vorgestern trainierte er in Potsdam mit, als sei er nie weggewesen. Wenn nichts Unvorhergesehenes mehr geschieht, unterschreibt Reimann in den nächsten Tagen beim VfL, der damit seine Personalplanungen jedoch noch nicht abgeschlossen hat. Wie Rüdiger Bones in Aussicht stellte, könnte sich zeitnah auch noch auf der Torhüterposition etwas tun. Im günstigsten Fall stößt auch noch ein Rückraumspieler zum Team.
Die morgen beginnende neue Saison, deren Auftaktprogramm idealerweise gleich einmal im übertragenen Sinne zum Abkassieren der ersten Gegner genutzt werden könnte, konfrontiert Potsdams Handball-Bundesligisten auch mit einem Prozess der Selbstfindung. Zu beantworten ist die Frage, ob sich der Verein die eingleisige Zweite Liga strukturell und wirtschaftlich leisten kann oder ob er in diesem Zusammenhang nicht doch an unüberwindbare Grenzen stößt. Einstweilen geht es um sportliche Dinge. Ein erster doppelter Punktgewinn gegen Varel würde gut ins derzeitige Stimmungsbild passen. Unklar blieb zuletzt nur, ob die Rückenprobleme Lars Melzers ein Mittun des nach wie vor sehr wichtigen VfL-Vordenkers zulassen. Vorgestern pausierte er mit dem Training.
Thomas Gantz
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