Landeshauptstadt: Votum gegen Schulsozialarbeit
Haushaltsdiskussion: Große Fraktionen stoppen Anträge der „Kleinen“
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Die Mehrheit der Potsdamer Stadtverordneten wollen keine weitere finanzielle Entlastung für Kinder und Familien: Am Donnerstagabend sind die Anträge auf kostenlose Schülerspeisung und Fahrkosten für bedürftige Familien sowie sieben weitere Stellen für die Schulsozialarbeit mit den Voten der CDU, Die Linke und SPD abgeschmettert worden. Zuvor hatte die Verwaltung vor unkalkulierbaren finanziellen Risiken gewarnt. Vor allem die Abstimmung über die Schulsozialarbeit stieß bei einigen Stadtverordneten auf Kritik. Denn ausgerechnet Peter Kaminski von Die Linke hat mit seinem Votum verhindert, wofür die Linken in Potsdam seit Jahren kämpft: Mehr Schulsozialarbeit.
Bei der Abstimmung zum Haushalt des laufenden Jahres hatte Monika Keilholz von der Fraktion Die Andere sieben zusätzliche Stellen für Sozialarbeit an Schulen gefordert. Dafür sollten 266 000 Euro zusätzlich ausgeben werden. Denn seit Jahren steigt die Zahl der Problemfälle an den Schulen in der Landeshauptstadt, laut Statistik der Schulsozialarbeiter zuletzt um zehn Prozent innerhalb eines Schuljahres. Im letzten Schuljahr mussten die Sozialarbeiter an den acht Schulen, an denen sie derzeit arbeiten, in 204 Fällen eingreifen. Insgesamt gibt es knapp 50 allgemeinbildende Schulen in Potsdam. Der Antrag für mehr Stellen wäre im nicht entscheidenden, aber vorentscheidenden Finanzausschuss mit drei Ja-Stimmen gegen die beiden CDU-Stimmen durchgegangen – wäre da nicht Peter Kaminski von der Linken gewesen: Als Ausschussvorsitzendem obliegt ihm die Zählung der Stimmen, erst die der Ja-, dann die der Gegenstimmen. Kaminski hob nach seiner kurzen Zählung die Hand – und verhinderte damit einen weiteren Antrag einer kleinen Fraktion. Denn bis auf rechnerisch nicht relevante Anträge scheiterten die Grünen, Die Andere und auch die Familienpartei nahezu komplett mit ihren Forderungen, während Die Linke, CDU und SPD ihre Vorstellungen umsetzen konnten – teilweise in geänderter Form.
Die Forderung der Linken nach sozialeren Lösungen bei der Schulspeisung für arme Familien wurde beispielsweise in einen Prüfauftrag umgewandelt. Das heißt, die Verwaltung muss nun nicht mehr dafür sorgen, dass es eine andere Lösung gibt. Sie muss jetzt lediglich prüfen, inwieweit eine andere Lösung umsetzbar ist. Sie wollte, dass die Kinder von Hartz-IV- Empfängern künftig kostenlos in der Schule speisen. Bisher müssen sie 1,02 Euro pro Essen in der Primarstufe und 1,25 Euro in weiterführenden Schulen bezahlen. Geld, was die Eltern laut Kämmerer Burkhard Exner als Leistung vom Amt erhalten. Sollte die Stadt diese Leistung nun kostenlos anbieten, könnte die laut Exner vom Arbeitslosengeld II abgezogen werden. Der Kämmerer bezeichnete dies als „falsches Spiel linke Tasche rechte Tasche“. Denn der Bund würde entlastet, die Kommune belastet.
Eine bessere Regelung fordert auch Monika Keilholz. Es gebe Schulen, an denen die Kinder ohne Frühstück zum Unterricht erscheinen und auch kein Essengeld haben. Die Zustände seien katastrophal, Schulen würden bereits um Hilfe bitten. Dazu gehörten bereits der Schulleiter der Weidenhof-Grundschule am Schlaatz und die Leiterin der Grundschule am Priesterweg in Drewitz. Keilholz erklärte, den Schulen wäre auch mit kleinen Spenden für Essen und Freiwilligen zum Brötchenschmieren geholfen.
Insgesamt ist der Haushalt 2007 am Donnerstag von den Stadtverordneten mit kleinen Änderungen bestätigt worden. So soll der Verein SV Babelsberg 03 künftig 20 000 Euro mehr bekommen, für die Übungsleiter der Vereine sollen 10 000 Euro eingestellt werden, 8000 Euro mehr soll es für den Austausch von Spielplatzsand geben und 10 000 Euro mehr für die Pflege der Städtepartnerschaften. Zudem sollen 5000 Euro für den Familienpass eingestellt werden, das laut der Beigeordneten Elona Müller als Preisgeld für das familienfreundlichste Unternehmen der Stadt gelten könnte.
Insgesamt wird Potsdam in diesem Jahr 376 Millionen Euro einnehmen und 392 Millionen Euro ausgeben. Ziel von Kämmerer Burkhard Exner war bisher ein ausgeglichener Haushalt bis 2010. Aufgrund der Umstellung vom kameralen auf das Bilanzierungs-System sei dies nicht mehr möglich. Das 15-Millionen-Euro-Defizit in diesem Jahr soll dennoch in den kommenden vier Jahren halbiert werden. Eine „Null“ am Ende der Bilanzrechnung erwartet Exner nun aber erst im Jahr 2015.
Die im Ausschuss beschlossenen Änderungen werden in der Finanzverwaltung als wenig problematisch angesehen, da der Investitionsplan für die kommenden Jahre bereits Anfang des Jahres beschlossen wurde. Zudem hatte Die Linke bereits im Zusammenhang mit dem Landtagsneubau viele ihrer Forderungen – wie mehr Geld für Schulen und Kitas – durchgesetzt. Und auch wenn sie am Donnerstag die Schulsozialarbeit nicht gänzlich unterstützte: Ihr eigener Antrag, die bedrohten Stellen der Sozialarbeiter nicht zu kürzen, wurde angenommen.
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