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Landeshauptstadt: Vulkane für den Volkspark

Zur 15. Potsdamer Feuerwerkersinfonie kamen 18 000 Besucher. Ein großes Team von Pyrotechnikern sorgte für den reibungslosen Ablauf

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Bornstedter Feld - Sie sieht aus wie ein in braunes Packpapier gewickeltes Geschenk. Doch die Zylinderbombe, die vor dem Pyrotechniker Jens Hauschild auf dem Tisch liegt, wird wenige Stunden später mit einer Geschwindigkeit von bis zu 400 Stundenkilometern gut 200 Meter hoch in den Potsdamer Himmel steigen. Am Samstagmittag sind allerdings noch die Mitarbeiter der Firma Bavaria Fireworks damit beschäftigt, Einzelteile mit dem Feuerwerkskörper zu verbinden, ehe er auf einem grauen Rohr platziert wird.

Vorrichtungen wie diese übersäen anlässlich der Feuerwerkersinfonie die Wiese des Volksparks: Ein Wirrwarr aus Abschussgestellen, in denen Feuerwerkskörper wie Fontänen, Vulkane oder römische Lichter platziert sind. Die später entfaltete Farbenpracht sieht man der Pyrotechnik jetzt noch nicht an, nur kleine blaue und rote Etiketten verraten, welches Kunstwerk sie nach der Entzündung zeigen werden. Was wie ein wildes Durcheinander aussieht, ist von Hauschild und seinem Team bis ins kleinste Detail durchorganisiert. Die Effekte mit der höchsten Reichweite, also Kugel- und Zylinderbomben, sind am hintersten Ende des Feldes aufgestellt, kleinere „Single Shots“ gehen weiter vorne in die Höhe.

Hauschild weiß ganz genau, wo auf dem Feld welche Technik steht. Er fungiert als Schnittstelle zwischen Volker Schwarz, dem Koordinator der Potsdamer Feuerwerkersinfonie, und den Pyrotechniker-Teams, die mit ihren Interpretationen aus Feuerwerk und Musik antreten. Gemeinsam mit drei weiteren Feuerwerkern sorgt er dafür, dass der Aufbau reibungslos vonstattengeht. Bereits seit neun Uhr ist Hauschild auf den Beinen. Er ist permanent erreichbar, hilft bei technischen Problem, überprüft die richtige Lage der Vorrichtungen. „Wir gehen hier ja mit Sachen um, die ganz schnell ein menschliches Leben kosten können“, sagt der 49-jährige Geltower, der hauptberuflich als Veranstaltungstechniker an der Universität Potsdam arbeitet. Denn das Gros der Feuerwerkskörper, das man bei der Feuerwerkersinfonie erleben kann, ist nicht im freien Handel erhältlich. Für den Kauf benötigt man einen Befähigungsschein.

Immer wieder steht Hauschild an diesem Wochenende auch vor verärgerten Potsdamern und muss ihnen erklären, warum ein Teil des Volksparks für sie nicht zugänglich ist. Die Vorbereitungen für die Sinfonie beginnen indes schon früher. Bereits am Mittwoch werden alle Einzelheiten zwischen den Helfern besprochen, am Donnerstag das Warnband auf dem Gelände gespannt.

Auch das Attentat von München ist bei Jens Hauschild und seinen Kollegen Thema. In der bayrischen Landeshauptstadt sollte am Freitagabend ein Feuerwerk stattfinden, das nach dem Attentat eines 18-Jährigen mit neun Toten abgesagt wurde. Das sei zwar verständlich. Für die Arbeiter, die das Feuerwerk eine Woche lang aufgebaut haben, aber sicher eine große Enttäuschung.

An den Tagen der Show gibt es für Hauschild auch nach dem Aufbau noch einiges zu tun: Am Nachmittag gibt es einen Soundcheck, am Abend führt er interessierte Besucher über das Feld, später gibt er der Jury Tipps, worauf sie bei ihrer Bewertung achten können. Überzeugt hat die Jury in diesem Jahr wieder der Vorjahressieger stey-fire aus Österreich, der eine Choreographie aus Klassik, Funk, Rock und Pop darbot.

Bei der 15. Auflage der Potsdamer Feuerwerkersinfonie traten pro Abend jeweils zwei Firmen gegeneinander an. Die Show wird komplett am Computer designt, von dem aus die Feuerwerkskörper ferngezündet werden. Gut 2000 Zündkanäle, sogenannte Cue Points, binden die Firmen in ihre Show ein. Sollte einer dieser Kanäle nicht zünden, störe dies die Optik. „Aber in 99,99 Prozent der Fälle gibt es kein Problem“, weiß Hauschild.

„Feuerwerk ist nicht nur das, was die Besucher sehen. Da gehört viel mehr zu“, sagt der Geltower. Der große, breitschultrige Mann ist bereits zum 13. Mal dabei. Vor 14 Jahren war er selbst noch Besucher. „Mich hat die Technik immer fasziniert“, erzählt er. Deshalb stand er nicht wie die meisten Besucher dort, wo man den schönsten Blick aufs Feuerwerk hat, sondern lieber da, wo er den besten Blick auf die Technik hatte. So traf er 2003 auf Volker Schwarz, den Koordinator der Feuerwerkersinfonie, und kam mit ihm ins Gespräch. Schnell wurde ihm klar, dass er sich im Bereich Pyrotechnik weiterbilden möchte. 26 Großfeuerwerke muss man erleben und mitaufbauen, um anerkannter Feuerwerker zu werden, hinzu kommt eine theoretische Ausbildung. Mittlerweile ist es seine Leidenschaft.

„Wenn dann das Klatschen der Besucher beginnt, da stellen sich mir die Nackenhaare auf“. Der Applaus der rund 18 000 Besucher ist auch in diesem Jahr wieder laut ausgefallen. Doch für Jens Hauschild ist nach dem Verglühen des letzten Feuerwerks noch lange nicht Schluss. Denn dann beginnen Abbau und Verladung. „Erst wenn die Feuerwerker zu Hause sind, ist die Show für sie gelaufen.“

Anne-Kathrin Fischer

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