Landeshauptstadt: Wahlkampf am Luisenplatz
SPD und Linke machen bei zentraler Veranstaltung zum 1. Mai ihre Positionen zu lokalen Themen klar
Stand:
Trotz der warmen Temperaturen: Mit rund 500 Menschen hatte der Demonstrationszug zum gestrigen 1. Mai knapp hundert Teilnehmer weniger als im vergangenen Jahr. Aufgerufen hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der auch wesentliche Teile des Mai-Programms auf dem Luisenplatz gestaltete. Laut Veranstalterangaben kamen zwischenzeitlich bis zu 1000 Besucher zusammen. „Ich denke, das ist ganz ordentlich“, sagte Detlev Baer, Vorsitzender der DGB Region Mark Brandenburg. Unternehmensfreiheit dürfe nicht über Menschenrechte gestellt werden, hieß es. In Talk-Runden wurden die Positionen und Themen der Potsdamer SPD und der Linken im Jahr der Kommunalwahl deutlich. Beide Parteien waren mit Ständen vertreten.
Kritik an Jugendpolitik
Die Linksjugend „solid“ hat im Zusammenhang mit der Schließung des Spartacus die Jugendpolitik der Stadt kritisiert. „Die Verwaltung hat noch nichts gemacht, um einen neuen Standort zu finden“, sagte Jens Gruschka von „solid“. Viele Ankündigungen blieben „Lippenbekenntnisse“, es gäbe vor allem in der Innenstadt „Verdrängungseffekte“. In diesem Zusammenhang machte Dirk Harder als Chef des Stadtjugendrings deutlich, dass ein mögliches Jugendkulturzentrum in der Glasmeisterstraße kein Ersatz für bestehende Projekte sein dürfe: „Eine solche Zentralisierung macht keinen Sinn.“
Mehr Wohngemeinschaften
Um die Wohnungsknappheit in Potsdam zu mildern, möchte die Gewoba stärker die Bildung von Wohngemeinschaften organisieren. Dies sagte Geschäftsführer Jörn-Michael Westphal: „Wir prüfen auch, wie generationsübergreifendes Wohnen stärker gefördert werden kann.“ Gleichzeitig sprach er sich für „Kompromisse“ in der Frage aus, ob existierende Flächen mit Garagen zukünftig für Neubauten genutzt werden sollten: In den nächsten Jahren werde der Unternehmensverbund Pro Potsdam 350 Millionen Euro in die Sanierung und den Neubau von Wohnungen stecken. Im Zusammenhang mit der Diskussion um Wohnen in Potsdam kritisierte der Architekt Bernhard Wendel die Pläne der Firma Semmelhaack am ehemaligen RAW-Gelände am Bahnhof: Die Zahl der dort entstehenden Ein- und Zwei-Mann-Wohnungen sei zu hoch, es drohe eine „Monostruktur“ ohne soziale Mischung.
Lob für Toleranzedikt
Störungen in der sozialen Gerechtigkeit in der Stadt sieht Peter Heuer als Kreisvorsitzender der Linken – und möchte dies in der Neufassung des Potsdamer Toleranzedikts mit behandelte haben. Widerspruch kam von Mike Schubert als Fraktionsschef der Potsdamer SPD-Stadtverordneten: Gerechtigkeit könne nicht Voraussetzung für Toleranz sein.
Weiterer Kulturabbau wäre Katastrophe
Ein weiterer Kulturabbau wäre eine „Katastrophe“, sagte Stadtverordnete Karin Schröter (Die Linke). Die Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Birgit Müller meinte, dass Beschlüsse wie der zur Abwicklung der Philharmonie heute nicht mehr möglich seien. Dagegen sagte Ud Joffe als Dirigent des Neuen Kammerorchesters, dass es durch den damals schmerzhaften Prozess gelungen sei, „mehr Musik bei deutlich reduzierten Kosten“ in Potsdam zu bieten. Dagegen mahnte Joachim Sedemund vom Trägerverein der Kammerakademie, dass der Vorteil auf dem Rücken der Musiker ausgetragen werde. Kultur sei ein Wirtschaftsfaktor: Ein ausgegebener Euro bringe der Stadt zwei Euro Einnahmen.
Potsdamer Tafel fehlt Essen
Die Schlangen vor der kostenlosen Warenausgabe der Potsdamer Tafel werden immer länger und die Märkte geben immer weniger Lebensmittel ab. Dies sagte der Gründer der „Potsdamer Tafel“, Rechtsanwalt Oliver Borisch. Hundert ehrenamtliche Helfer seien für die Potsdamer Tafel tätig. „Aber manchmal stehen wir plötzlich da und haben nichts mehr anzubieten“, warb Borisch um Spenden – und begrüßte den Vorschlag der Linken nach kostenlosem Schulessen (siehe Seite 10) für bedürftige Kinder.
Mindestlohn ist Alterssicherung
Andrea Wicklein, für die SPD Mitglied des Deutschen Bundestages, macht sich für einen staatlich verordneten Mindestlohn von 7,50 Euro stark. Es habe langfristige Auswirkungen für die Menschen, wenn sie zu Dumpinglöhnen arbeiten müssen. Mindestlöhne seien ein erster Schritt, um Altersarmut einzudämmen.
Henry Kramer, Günter Schenke
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