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Gelungene Mischung: Improvisation der HFF-Schauspielstudenten zum Thema „Abschied“
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Kurz vor dem Auftritt wirken sie noch wie eine aufgeregte Kindergartengruppe. Doch dann zeigen die Schauspielschüler der Potsdamer Filmhochschule HFF zum Abschluss des dritten Studienjahres konzentriert und temperamentvoll, was alles in ihnen steckt. Mit dem Regisseur Dietrich Rauch wurde eine Szenenfolge zum Thema „Abschied“ erarbeitet, ohne Rollenvorgaben, basierend auf Assoziationen und Improvisationen. Die einzige Vorgabe lautete, dass jeder in dem Stück eine eigene Figur erfinden und ein Lied singen sollte.
So entstand eine phantasievolle musikalische Collage, ein sehenswerter Leistungsquerschnitt der elf Eleven. Nach und nach wachsen aus der zu Beginn so amorphen Reisegruppe mit Koffern und Taschen einzelne Figuren hervor. Im Verlauf gewinnt jeder an Charakter und Ausdruck. Einer sieht nicht bloß aus wie Ben Becker, sondern deklamiert auch im gleichen gewaltigen Stil, findet aber in einer späteren Szene zu leisen Tönen. Ein sexy Dummerchen macht sich an einen braven Büromenschen heran, turnt lasziv auf der Bar herum und singt verführerisch, angespornt vom Schuhbiduh der Herren. Zwei bilden ein schüchternes junges Paar wie aus einem Jugendstück der zwanziger Jahre. Sie zitiert „Mein Dasein ist Schlaf, vielleicht aber auch nur warten darauf, bis ich geküsst werde“ (Elfriede Jelinek). Ein Kuss wird gewagt, ein jiddisches und ein russisches Chanson gesungen.
Aus einer lateinische Vokabeln büffelnden, grauen Maus wird eine stilvolle Diseuse, die ein kurioses Kreisler-Gedicht mit viel Aplomb deklamiert. Ein junger Geck mit gegelten Haaren imitiert mit beachtlichem Talent Adriano Celentano, ein anderer provoziert mit einer Schimpftirade über Ossis, ein etwas prekärer Einfall. Eine junge Dame im schwarzen Negligé wandelt sich in eine Domina. Dann der sehr gut vorgetragene Blues „Angel Eyes“ einer Elevin, die auch eine Irre ausdruckskräftig spielt. Für unheimliche Momente sorgt ein Blinder, der sich mit makaberen Einfällen immer wieder ins Bild bringt. Dass er zum Schluss eine veritable Samba auf portugiesisch singt, zeugt von Showtalent.
Erstaunlich auch, wie aus dem biederen Büromenschen ein kleines Mädchen mit Rock und Bluse wurde, das mit viel Schmelz in der Stimme sang: „One day I“ll grow up, I“ll be a beautiful woman“. Fazit: eine gelungene Mischung aus individuellen Leistungen und spielerischer Zusammenarbeit. Babette Kaiserkern
Noch heute und morgen an der HFF, Marlene-Dietrich-Allee 11, jeweils 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Babette Kaiserkern
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