Von Peer Straube: Wann kommt die Flut?
2016 sollte der Stadtkanal komplett fertig sein – ein Traum, von dem man sich längst verabschiedet hat
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Innenstadt - Zehn Jahre ist es jetzt her, dass das erste Teilstück des Stadtkanals in der Yorckstraße übergeben wurde, 2016 sollte er komplett fertig sein.
Die Realität des Jubiläumsjahres 2011 ist eine andere. Von dem Ziel, den alten Innenstadtwasserlauf in fünf Jahren wieder plätschern zu sehen, hat man sich längst verabschiedet. Eine Prognose, wann es so weit sein könnte, wagen heute weder der Sanierungsträger, der die Bauarbeiten leitet, noch der Förderverein, der nach wie vor auf Sponsorensuche ist.
Dass die Größe der Aufgabe bislang unterschätzt wurde, zeigen schon die aktuellen Bauarbeiten am zweiten Kanalstück von der Havel bis zur Kellertorbrücke. Zum ersten Mal war dort der Baustart für Ende 2004 angekündigt, Ende 2007 sollte die Havel bis zur Berliner Straße fließen. Tatsächlich fand der erste Spatenstich dann im März 2009 statt, fertig ist das Stück noch immer nicht. Albrecht Gülzow, der das Projekt für den Sanierungsträger betreut und über den Stadtkanal ein viel gerühmtes Buch geschrieben hat, hofft, das Stück bis zur Kellertorbrücke nun im August dieses Jahres fluten zu können.
„Wir hatten uns das wohl alle weniger kompliziert vorgestellt“, gibt Gülzow zu. Allein das Genehmigungsverfahren zum Anlegen einer Wasserstraße zog sich hin. Noch immer wartet Gülzow auf die Abnahme der Pumpenanlage durch das Landesumweltamt. Sie soll Havelwasser durch unterirdische Rohrleitungen pumpen. Durch ein Auslaufbauwerk vor den Resten der Kellertorbrücke wird das Wasser dann in den Kanal geleitet – über eine dreistufige Kaskade. Das Prozedere ist nötig, damit das Wasser im Kanalstück nicht steht und üble Gerüche verbreitet. Doch neben den endlosen behördlichen Verfahren, gibt es noch einen anderen Grund für den langsamen Baufortschritt: Es fehlt an Geld.
„Es gibt Probleme bei der Spendenbereitschaft“, sagt Fördervereinschef Siegfried Benn. Ein Mäzen, der die neue Kellertorbrücke bezahlen wollte, sei abgesprungen. Die Finanzierung ist nun wieder unklar. Das bereits ausgegrabene Stück zwischen Brücke und den Parkplätzen will Gülzow daher vorläufig wieder zuschütten und darauf Rasen säen. Erst, wenn die Brücke fertig ist, soll auch dort Wasser fließen.
Für das städtische Grundstück zwischen der Südseite des Kanals, der Havel und der Historischen Stadtmauer hofft Gülzow auf einen Liebhaber, der das im Krieg zerstörte Kellertorhaus wieder aufbaut. Das 1788 vermutlich von Andreas Krüger errichtete Gebäude diente früher als Zollhaus. Einige der Säulenreliefs aus Sandstein hat Gülzow im Schutt gefunden, der im Kanalbett lag. Denkbar sei, das Kellertorhaus als Wohnhaus aufzubauen – oder als kleines Café, in dem man mit malerischem Blick aufs Wasser seinen Espresso schlürft. Vis-á-vis steht ein ungenutztes, verfallenes Gebäude, das der EWP gehört, das Grundstück daneben bis zur Stadtmauer gehört der Eon Edis. Der Sanierungsträger verhandele mit beiden Eigentümern über einen Kauf, so Gülzow. Der Standort, der auf der anderen Seite an die Feuerwache grenzt, sei prädestiniert für eine Wohnbebauung.
Abgesehen von derlei Zukunftsvisionen gibt es aber schon jetzt auch gute Nachrichten. Die 37 bereits im letzten Jahr gegossenen Geländerpfosten sollen noch vor Ostern auf die Sandsteinplatten der Kanalmauer montiert werden, kündigt Fördervereinschef Benn an. Derzeit werden noch die Namen der Spender auf die Schilder graviert, die dann an den Pfosten befestigt werden. Ebenfalls noch in diesem Jahr wird auch das Teilstück in der Yorckstraße vervollständigt. Die Fehlstellen in der Mauer an der Einmündung zur Wilhelm-Staab-Straße, dort wo bis vor zwei Jahren noch ein Mischwasserkanal der EWP verlief, sollen ab Ende August beseitigt werden. „Am Montag nach dem Kanalsprint fangen wir mit dem Mauern an“, sagt Gülzow. Das Land habe die Fördermittel bewilligt, 220 000 Euro können ausgegeben werden. Anschließend wird auch der Ladenbergsteg per Kran versetzt, so dass er in die Verlängerung der Staab-Straße bildet.
Wann der Stadtkanal von der Kellertorbrücke aus bis zur Berliner Straße ausgegraben wird oder wann man den Wasserweg von der anderen Seite aus – von der Unteren Planitz her – aufbuddelt, steht derzeit in den Sternen. Knapp 66 Millionen Euro, hatte man einst geschätzt, würde die vollständige Wiederherstellung des Stadtkanals kosten. Benn wünscht sich, dass sein Potenzial endlich erkannt wird. „Potsdam“, sagt der Fördervereinschef, „vergibt sich sonst eine Riesenchance für den Tourismus“.
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