Von Peer Straube: Wärme aus dem Lausitzer Tertiär
Nur noch wenige Wohnungen haben Ofenheizung. Doch Kohle kommt wieder. Auch wegen des Preises
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Ein leichter Schwung und der Sack liegt da, wo er soll. Kurz über dem Hintern, in Nierenhöhe. „Alles eine Frage der Technik“, sagt Frank Pegelow und grinst. Die Arbeit ist anstrengend und wenn es der Rücken noch ein Weilchen machen soll, muss man Kraft sparen, wo es geht. Der 40-Jährige fährt an diesem kalten Nachmittag Kohlen aus, wie an jedem anderen Tag. Sie beginnen normalerweise in Brandenburg an der Havel. Im Kohlenlager, am „Sackgerät“. Das ist Branchenjargon für die Anlage, mit der die Kohlen auf den üblichen Zentner abgewogen und in Säcke gefüllt werden.
Pegelow ist der letzte von einst sechs Fahrern, die für den Brennstoffhandel der Gebrüder Claus in Babelsberg das wärmespendende Produkt Lausitzer Tagebaue in die Häuser liefert. Am 1. April feiert die Firma ihr 20-jähriges Bestehen. Alle zwei Jahre, sagt Alfred Claus, sei es ein Fahrer weniger geworden. In jenem Maße eben, wie Sanierungen den guten alten Kachelofen aus den Stuben Potsdams verschwinden ließen. Zehn Prozent der Wohnungen, schätzt Claus, werden heute in der Landeshauptstadt noch manuell mit Kohle beheizt. Zwanzig Prozent ihres Umsatzes machen die Brüder normalerweise mit dem Verkauf von Braunkohle aus der Lausitz und dem Ruhrgebiet, in der Hauptsache kommt die Kohle aber durch Heizöl und Containerfahrten rein. Doch in diesem Ausnahmewinter liegt der Kohlenanteil am Umsatz bei fast einem Drittel. 1000 bis 1500 Tonnen Briketts sind es in normalen Jahren, „jetzt kommen wir auf das Doppelte“. Nachschubprobleme haben die Claus-Brüder trotz des kalten Winters nicht. Dank „sehr guter Kontakte“ müssen auch jene, die kurzfristig bestellen, nicht frieren.
Obwohl der Kachelofen akut vom Aussterben bedroht ist, gewinnt der tertiäre Turff wieder neue Fans. „Vor zwei, drei Jahren, als der Ölpreis bei einem Euro lag, haben die Menschen gemerkt, dass sie mit Kohle billiger liegen“, sagt Claus. Inzwischen wandert sie sogar in Kamine. Manch einer setzt auch auf Kombinationen: Öl und Kohle, etwa über eine zentrale Verbrennungsstelle im Keller, der das Wasser im Leitungssystem erhitzt und so die Heizkörper in den Räumen mit Wärme versorgt. Rund 600 Euro können die Hausbewohner damit gegenüber Öl jährlich an Heizkosten sparen, sagt Claus. Dass er selbst keinen Ofen mehr hat, bedauert der Brennstoffhändler heute. „Das ist einfach eine gemütlichere Wärme.“
Warm ist auch Frank Pegelow inzwischen geworden. Seine Touren führen ihn sonst bis nach Berlin-Wannsee, Michendorf, Werder und Glindow. Heute aber nur nach Bornim. Dafür lohnt es sich aber. 20 Säcke Braunkohlebriketts zu je einem Zentner – eine Tonne insgesamt. Außerdem noch eine halbe Tonne „Nussbriketts“, säuberlich verpackt in Zellophansäcke zu je 25 Kilogramm. Gepresste Kohle in Eiform. „Die haben einen höheren Heizwert, sind dafür aber auch entsprechend kostenintensiver.“
Diana Schmidt wartet schon. Sechs Tonnen Kohlen hat sie und ihre Familie in diesem Winter schon durch die Schlote gejagt – das reicht sonst locker für die gesamte Heizperiode. Noch vor kurzem wurde der rußige Kellerinhalt auf sechs Öfen in dem Einfamilienhaus verteilt, seit letztem Jahr sind sie einer zentralen Befeuerungsstelle im Keller gewichen. Doch fünf bis sechsmal am Tag muss auch die gefüllt werden, damit die Temperatur schön heimelig bleibt.
Mit einem kurzen Kick des Hinterns befördert Pegelow den inzwischen zehnten Kohlensack über die Schulter in den Schacht vor dem Kellerfenster. Wie alle anderen zuvor landet er mit der Öffnung nach unten. Er zieht den Stoff nach oben, die Kohlen rauschen hinab. Perfekte Technik, das Ergebnis von 20 Jahren Arbeit. Inzwischen ist er abends nicht mehr ganz so fertig wie am Anfang, „aber man weiß doch, was man gemacht hat“.
Doch der Job macht ihm Spaß. „Sonst würde ich das nicht mehr machen.“ Obwohl der Eispanzer vor Schmidts Haus das Tragen der Säcke nicht gerade erleichtert, ist es noch eine der einfacheren Adressen – alles zu ebener Erde. Der Brauhausberg etwa gilt unter den Kohlefahrern als Knochenjob. Der Weg steil bergauf, Treppen zum Hauseingang und dann wieder Stufen hinab in den Keller. „Gebirge nennen wir das“, sagt Pegelow verschmitzt. Generell ist ihm der Winter lieber. „Bei 30 Grad Kohlen liefern“, sagt er, „das ist viel unangenehmer.“
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