Homepage: Warnsignale frühzeitig erkennen FH: Prävention von Amokläufen an Schulen
Erfurt, Emsdetten, Winnenden – Amokläufe an Schulen erschüttern die Gesellschaft und werfen viele Fragen auf. Der Schock sitzt nicht nur an den unmittelbar betroffenen Schulen tief.
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Erfurt, Emsdetten, Winnenden – Amokläufe an Schulen erschüttern die Gesellschaft und werfen viele Fragen auf. Der Schock sitzt nicht nur an den unmittelbar betroffenen Schulen tief. Die Auseinandersetzung mit Amokläufen an Schulen – Experten sprechen von „School Shooting“ – wird für Lehrer, Sozialarbeiter, Schulpsychologen und Polizisten immer wichtiger.
Gelegenheit dazu bot am Montag der Fachtag „Amokläufe an Schulen“ an der Fachhochschule Potsdam. Der Fachbereich Sozialwesen hatte dazu den Kriminologen und Sozialpädagogen Frank J. Robertz eingeladen. Robertz ist Leiter des Instituts für Gewaltprävention und angewandte Kriminologie in Berlin (Igak) und bietet europaweit Fortbildungen zu diesem Thema an. Rund 200 Teilnehmer aus der Region waren gekommen, um sich über Wege zur Früherkennung und Prävention, Bedrohungsmanagement und der Einschätzung von Gewaltdrohungen durch Schüler zu beschäftigen.
Robertz nutzt Erkenntnisse aus der Kriminologie. Es geht ihm neben der Vorbereitung auf den Ernstfall vor allem darum, problematische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, um rechtzeitig eingreifen zu können. „Eine schwere Gewalttat ist für jugendliche Amokläufer die letzte Lösung. Wenn er glaubhafte Alternativen aufgezeigt bekommt, wird er eine Tat nicht umsetzen“, sagte Robertz. Die Vermittlung sozialer Kompetenzen wie Empathie, Zivilcourage, Konfliktfähigkeit seien daher die beste Prävention.
Schulen sollten Krisenteams bilden, die Warnsignale erkennen, sammeln und zusammen mit externen Helfern bewerten – eine anspruchsvolle, manchmal geradezu detektivische Aufgabe. Anhand von Fallbeispielen zeigte der Experte, welche Signale Hinweise darauf geben können, ob es sich etwa bei Drohungen im Internet oder bei verbalen Entgleisungen in der Schule um relativ harmlose emotionale Gewalt oder zielgerichtete Gewaltandrohungen handelt, die ein Eingreifen erfordern. Um das Risiko von Gewaltanwendung zu einem bestimmten Zeitpunkt richtig einschätzen zu können, sei in den Krisenteams ein „Input von vielen Seiten“ nötig.
Viele jugendliche Amokläufer haben sich lange vor ihrer Tat im Internet in Szene gesetzt oder einschlägige Computerspiele und Fotos auf Schulrechnern hinterlassen. „Das muss man unbedingt hinterfragen“, sagte Robertz. Außenseitertum, fehlende Anerkennungsressourcen, eine hohe Kränkbarkeit und eine intensive Beschäftigung mit Gewalt können Warnhinweise sein. Um einzelne Hinweise bewerten zu können, sei die Einordnung in einen größeren Zusammenhang unumgänglich. „Die Stärkung der Sozial- und Medienkompetenz von Schulen und Eltern kann helfen, die Lebenswelten-Kluft zwischen Jugendlichen und Erwachsenen zu reduzieren“ so Robertz. Das sei für die Prävention wichtiger als allzu viele Hoffnungen auf eine Verschärfung des Waffenrechts zu setzen. Auch das sei sinnvoll, aber keine Lösung, Waffen ließen sich immer beschaffen.
Je früher erkannt werde, dass etwas in die falsche Richtung geht, desto effektiver können geplante Gewalttaten vermieden werden. „Bestehende Gewaltphantasien von Tätern können ansonsten derart intensiv werden, dass sie ein lebenslanges Problem darstellen“, hat Robertz festgestellt.
Betroffen reagierte eine Teilnehmerin auf das Abschiedsvideo des jugendlichen Täters von Emsdetten. „Er ist einfach nicht gehört worden“, sagte sie, als dessen hasserfüllte und emotional vorgetragene Äußerungen verklungen waren. Auch das ist Robertz nicht neu: „Ja, das haben sie alle gemeinsam.“ Maren Herbst
Maren Herbst
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