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Chefarzt aus Potsdam hilft Kollegen in Eritrea: Warten auf Doktor Lobeck

Der scheidende Chefarzt der Potsdamer Pathologie unterstützt Ärzte in Eritrea bei der Untersuchung von Gewebeproben. Im Land gibt es keinen Pathologen.

Von Katharina Wiechers

Stand:

Potsdam - Ist der Tumor gut- oder bösartig? Wurde der Krebs bei der Operation erfolgreich entfernt? Und um welchen Krebs handelt es sich eigentlich? Das und noch viel mehr können Pathologen anhand von menschlichen Gewebeproben erkennen. Jede größere deutsche Klinik hat eine eigene Abteilung, die solche Proben unter dem Mikroskop untersuchen und bestimmen kann. Doch in ärmeren Ländern ist das längst nicht Standard, und im ostafrikanischen Eritrea gibt es landesweit nicht einen einzigen ausgebildeten Pathologen. Wird dort zum Beispiel ein Tumor entdeckt, müssen die Ärzte das Für und Wider einer Operation abwägen, ohne überhaupt zu wissen, was sie da genau im Körper des Patienten gefunden haben.

Außer Hartmut Lobeck ist gerade im Lande. Seit 2012 fährt der scheidende Chefarzt der Pathologie am Potsdamer Krankenhaus „Ernst von Bergmann“ regelmäßig in der eritreische Hauptstadt Asmara, um zu helfen. Drei Mal im Jahr ist er für ein oder zwei Wochen dort und untersucht Gewebeproben, die seine eritreischen Ärzte-Kollegen von Patienten genommen haben und sammeln, bis Lobeck kommt. Finanziert werden seine Flug- und Aufenthaltskosten durch die Initiative „For Eritrea – Medical Support in Partnership“, die restlichen Kosten übernimmt er privat. Und er muss sich Urlaub für die Reisen nehmen – neun Mal war er mittlerweile schon dort.

Nach wenigen Stunden gibt es ein Ergebnis in Potsdam - in Eritra muss länger gewartet werden

Dass die Ärzte und ihre Patienten in Asmara jedes Mal so lange warten müssen, bis Lobeck die Proben untersuchen kann, ist natürlich nicht ideal. „Im schlechtesten Fall beträgt die Wartezeit mehrere Monate“, sagt er. Ein krasser Gegensatz zu den hiesigen Verhältnissen: In seinem Potsdamer Labor können Lobeck und seine Mitarbeiter innerhalb weniger Stunden ein Ergebnis präsentieren, eine Schnell-Analyse zum Beispiel während einer Operation dauert sogar nur 15 Minuten. Etwa vier bis fünf der täglich rund 120 Untersuchungen in dem Potsdamer Labor sind solche Schnell-Tests. In Asmara wäre man schon froh, normale Biopsien durchführen zu können. Doch einen Pathologen gibt es seit Jahren keinen, eine kubanische Gastärztin, die eine Zeitlang aushalf, ist mittlerweile wieder weg.

Nicht nur die medizinischen Standards, auch die Krankheitsbilder unterscheiden sich in Eritrea zum Teil von jenen in Deutschland, wie Lobeck sagt. So gibt es dort noch häufiger Fälle von Tuberkulose und manchmal sogar auch Lepra-Patienten. Etwas öfter als in Deutschland kommt in Eritrea auch Speiseröhrenkrebs vor, vermutlich weil in dem nordostafrikanischen Land gerne sehr heiß und stark Gebratenes gegessen wird. Andere Krebsarten treten zwar nicht häufiger auf als in Deutschland, werden aber oft in einem späteren Stadium als hierzulande entdeckt – Vorsorgeuntersuchungen finden in Eritrea bislang quasi nicht statt.

Auch Brustkrebs ist ein wichtiges Thema

Auch Brustkrebs ist dort wie in Deutschland ein großes Thema, und mittlerweile hat sich unter den Frauen in Asmara herumgesprochen, dass Lobeck helfen kann, wenn ein Knoten in der Brust Sorge bereitet. „Wenn ich dort im Labor arbeite, stehen jeden Tag fünf bis zehn Frauen mit einem solchen Knoten vor der Tür“, sagt er. Bei ihnen führt er dann sogenannte Feinnadelaspirationsbiopsien durch. Dabei nimmt er Zellen mit einer speziellen Nadel direkt aus dem Geschwulst, ohne einen Schnitt setzen zu müssen. „Anhand dieser Zellen kann ich bestimmen, ob es sich um einen gutartigen oder bösartigen Tumor oder nur um eine Entzündung handelt.“

Auf den Einsatz in Eritrea ist Lobeck durch seinen Kollegen Markus Jungehülsing gekommen, Chefarzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Bergmann-Klinikum. Der war schon länger in dem afrikanischen Land aktiv und wusste um das Fehlen einer funktionierenden Pathologie dort. Schon bei seinem ersten Besuch 2012 brachte Lobeck Material aus Deutschland mit, 2013 kam er dann mit einem durch Spenden finanzierten Fotomikroskop wieder. Er transportierte das Gerät im eigenen Koffer und baute es vor Ort zusammen. „Ich kann ganz gut basteln“, sagt Lobeck. Er führt das auch darauf zurück, dass er in der DDR großgeworden ist – dort sei man auf ein gewisses Bastelgeschick angewiesen gewesen.

Seit 1997 Chefarzt der Pathologie

Aufgewachsen ist Lobeck in Ost-Berlin, doch mit Mitte 30 floh er über Bulgarien und das damalige Jugoslawien nach West-Berlin. Im Osten sei ihm nach dem Studium eine weitere akademische Laufbahn aus politischen Gründen verwehrt worden, erzählt er heute. An der Freien Universität in West-Berlin durfte er hingegen forschen und wurde später Leitender Oberarzt an der Uni-Klinik, die dann nach der Wende mit der Charité fusionierte. 1997 kam Lobeck als Chefarzt an die Pathologie nach Potsdam – 2010 hatte er eigentlich das Rentenalter erreicht. „Aber ich wurde gebeten, weiterzumachen, auch weil noch kein Nachfolger gefunden war.“

Er machte weiter, bis ein neuer gefunden wurde und noch darüber hinaus – doch jetzt, mit 71, hörte Lobeck auf, zum 1. März hat er sich zur Ruhe gesetzt. Wobei von Ruhe in seinem Fall keine Rede sein kann. Denn für das Eritrea-Projekt will Lobeck künftig sogar noch mehr tun, das Land und seine Menschen sind ihm ans Herz gewachsen. Momentan laufen die Planungen für einen einjährigen Aufenthalt in Asmara, auch seine Frau, eine Musikerin, will mitkommen.

Nun bildet Lobeck seine Kollegen in Eritrea aus

Zwar kann Lobeck dank des 2013 angeschafften Fotomikroskops mittlerweile auch schon aus Deutschland Diagnosen stellen – die hochauflösenden Bilder werden per Internet verschickt und können am Computer analysiert werden. Doch weil es keine ausgebildeten Pathologen gibt, kommen oft mangelhafte Bilder oder falsche Bildausschnitte an. Während seines einjährigen Aufenthaltes will Lobeck deshalb Pathologen in Eritrea ausbilden. Momentan sind er und seine Mitstreiter von „For Eritrea“ noch auf der Suche nach Geldgebern, auch ein Antrag beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung läuft.

In Deutschland will Lobeck noch als Pathologe aktiv bleiben, in seinem bisherigen Labor und an anderen Kliniken aushelfen. Um Geld für seine Reisen nach Eritrea dazuzuverdienen, wie er sagt. Und um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Denn den will er den Kollegen in Asmara weitergeben – wenn es dann welche gibt.

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