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Flüchtlingsheim in Bornim: Warten auf Klarheit

Im Awo-Flüchtlingswohnheim in Bornim zählt vor allem die gegenseitige Hilfe. Die angezündete Flüchtlingsunterkunft in Nauen ist allerdings kein Thema.

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Bornim - Feras Shammas schaut fragend, ob er das Wort richtig verstanden hat: „Nauen? Davon habe ich nichts gehört“, sagt er auf Englisch. Um ihn herum scharen sich syrische Landsleute, denen er auf Arabisch übersetzt, dass die geplante Flüchtlingsunterkunft rund 30 Kilometer von Potsdam entfernt in Brand gesteckt wurde. Auch die anderen schütteln den Kopf. „Nauen und Heidenau waren hier bisher kein Thema“, bestätigt Christian Friedrich, Sozialarbeiter in der „Wohnanlage Bornim“ der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Nachts dreht stündlich ein Wachmann seine Runde, die Sicherheitsvorkehrungen seien aber nicht verstärkt worden, sagt Angela Basekow, Geschäftsführerin des Awo-Bezirksverbandes Potsdam.

Neben Feldern und einer Schreinerei leben seit Januar in vier Blöcken à vier Containern und einem langgestreckten, hellgelben Bau bis zu 200 Flüchtlinge, viele von ihnen aus Syrien und Eritrea. „Aus diesen beiden Ländern kommen meistens einzelne Männer“, erzählt die Leiterin der Wohnanlage, Anastasiya Batuyeva: „Sie sind getrennt von ihren Liebsten.“ Auch aus Albanien und Serbien, aus Kamerun, dem Tschad und Somalia, der Russischen Föderation und Kurdistan stammen die derzeit 160 Bewohner des Übergangswohnheims, darunter 17 Familien mit rund 40 Kindern. Sie warten auf den Ausgang ihres Asylverfahrens – oder mit einem befristeten Aufenthaltsstatus in der Tasche auf eine feste Bleibe. „Wir können keine Wohnungen herzaubern, wo keine sind“, beschreibt Awo-Frau Basekow die Situation in Potsdam, „deshalb ist das langwierig und mühselig.“

An diesem Tag ist zwischen den Containern mehr los als sonst. Während sich vor dem einen Block Serben in ihre Klappstühle zurücklehnen, beobachtet vor einem anderen eine Gruppe eritreischer Männer und Frauen, wie zwei Transporter anrollen, vollgeladen mit Kartons und Säcken. Katja Nieschulze hat das Spielzeug, die Kleidung und Küchenutensilien bei Kollegen von der Berliner Volksbank gesammelt. „Das war keine von oben verordnete Aktion“, das sei der Kundenbetreuerin wichtig. Die erste Aktion im Februar habe sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. „An manchen Tagen bin ich kaum ins Büro gekommen vor lauter Tüten“, erzählt sie. Weitere Spenden sind willkommen: Turnschuhe für Männer und Fahrräder samt Schlössern, um die Stadt besser zu erreichen.

Einen der Kartons, vollgepackt mit Kinderspielzeug, schnappt sich Feras Shammas und lässt sich mit Teddy vor der Brust fotografieren. Der 29-Jährige ist hier auch für die Sozialarbeiter ein wichtiger Ansprechpartner: Einer der wenigen, die Englisch sprechen – und andere Flüchtlinge zu den Ämtern begleiten kann, zum Roten Kreuz, zur Ausländerbehörde und zur Arbeitsagentur: „Im Jobcenter spricht niemand Englisch“, ärgert er sich. Drei Jahre ist er bereits in Europa unterwegs, 12 000 Euro habe ihn der lange Weg nach Potsdam gekostet.

Vor dem Krieg war im syrischen Aleppo für ihn „alles gut“. Als er mit dem Bus in die Türkei und per Schiff nach Griechenland floh, nahm er die Bilder von getöteten Kindern, abgeschnittenen Köpfen und Gliedmaßen im Kopf aus der Heimat mit. „Ich entschied, über die Ukraine nach Polen und weiter nach Deutschland zu reisen.“ Alles sei seitdem weg: die Arbeit, das Geld, Familie und Sprache.

In Polen am Flughafen wurde er geschnappt und musste drei Monate lang ins Gefängnis, da er keinen Ausweis hatte. Trotzdem ist er noch immer freundlich, zeigt gern sein Zimmer im Container, das er sich mit einem Landsmann teilt. Beide Betten sind gemacht. Im Flur hängt ein Putzplan in arabischer Schrift für die beiden Toiletten und die Dusche, daneben in einer Ecke die Kochzeile und zwei weitere Doppelzimmer. Die anderen Bewohner seien alle Muslime. Einem von ihnen fehlen die Papiere und Shammas übersetzt seine Frage: Wie kann ich meine vier Kinder aus Syrien nach Deutschland holen?

„Nur mein Zimmernachbar und ich sind Christen“, erzählt Shammas. „Warum hilft man mir hier nicht besser?“ Seit sechs Monaten wartet der Syrer in Bornim auf eine Entscheidung zu seinem Status. Nach dem bislang geltenden Dublin-Abkommen müsste er nach Polen abgeschoben werden. Dort hatte die Polizei ihn registriert, dort müsste er seinen Asylantrag stellen. Von 325 Euro, die er monatlich als Flüchtling bekommt, hat er eine Anwältin bezahlt. Jetzt hat die Situation sich verändert: Vor wenigen Tagen setzte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Dublin-Verfahren aus – offiziell ist es aber noch in Kraft.

Im Blumenbeet vor den Containern jäten derweil zwei Potsdamer Unkraut. „Meckern kann jeder“, sagt Marc, 29. „Doch zu tun gibt es genug“, bekräftigt Anne, 25. Während ihres Urlaubs haben sie Zeit, da könne man sich mal die Hände schmutzig machen. 45 ehrenamtliche Helfer kommen regelmäßig her, um Deutsch zu unterrichten, Hausaufgaben oder die Nähstube zu betreuen.  

Isabel Fannrich-Lautenschläger

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