Landeshauptstadt: „Warum sagst du Nigger?“
Ein Telefonat ist das wichtigste Indiz bei der Aufklärung des Überfalls
Stand:
Beim Abspielen des Telefonats auf der gestrigen Pressekonferenz lief es manchem Pressevertreter kalt den Rücken herunter. Straßengeräusche. Eine dunkle und eine helle Stimme. Ein Disput. „Hör doch mal auf“, ist zu verstehen. Das Wort „Nigger“ fällt und der Mann, dem das Handy gehört, erwidert: „Warum sagst Du Nigger zu mir?“ Viele nicht deutbare Geräusche und Worte sind zu hören. Nach einer Minute und 50 Sekunden bricht das Telefonat ab. Das Letzte, was laut und deutlich zu hören ist ein Ausruf des Opfers: „Oh je!“
Potsdams Polizeipräsident Bruno Küpper geht davon aus, dass dieses Telefonat – derzeit wichtigstes Beweisstück bei den Ermittlungen zum versuchten Mord an einem 37-jährigen Deutschen mit afrikanischer Herkunft – eher zufällig zustande kam. Der Mann habe offenbar versucht seine Frau anzurufen, die war aber nicht ans Telefon gegangen, so dass der Anrufbeantworter ansprang und das aufzeichnete, was die Ermittler als Beginn der Auseinandersetzung ansehen.
Was genau am Sonntagmorgen gegen vier Uhr an der Haltestelle nahe dem Bahnhof Charlottenhof geschah, ist noch unklar. „Stumpfe Gewalt gegen den Kopf“, heißt es seitens der Polizei. Verursacht durch eine unbekannte Waffe oder durch Tritte mit Stiefeln gegen den Kopf, als das Opfer schon am Boden lag, genau könne man das noch nicht sagen. Seit jenen Morgenstunden kämpfen Ärzte um das Leben des 37-Jährigen. Ein schweres Schädel- und Gehirntrauma, Knochenverletzungen, ein verletztes Auge, Erbrochenes in der Lunge: Der Vater zweier Kinder schwebt in Lebensgefahr. Benedikt Welfens, Sprecher der Staatsanwaltschaft: „Noch ein Tritt oder ein Schlag mehr - und der Mann wäre vermutlich tot gewesen.“
Ein Taxifahrer hat dem Wasserbauingenieur womöglich das Leben gerettet. Auf der Fahrt zur Kundschaft, die vor einer nahen Diskothek wartete, sah er bereits, dass sich Täter und Opfer an der Haltestelle im Gespräch befanden. Auf der Rücktour habe er den Mann an der Ecke Zeppelinstraße/Nansenstraße auf dem Boden liegen sehen, berichtete Küpper gestern vor der Presse. Der Taxifahrer hielt an und stieg aus, die Täter flüchteten Richtung Innenstadt. Der Taxifahrer sei ihnen zu Fuß gefolgt, sei aber an der Ecke Zeppelinstraße/Stiftstraße umgekehrt, um dem Opfer zu helfen.
Bis gestern Abend gab es noch keine Spur von den Tätern. Eine Tatwaffe wurde nicht gefunden. Der Zustand des Opfers sei unverändert lebensbedrohlich gewesen. Eine zwölfköpfige Sonderkommission der Staatsanwaltschaft ermittelt. 5000 Euro sind zur Ergreifung der Täter ausgesetzt, die von dem Zeugen wie folgt beschrieben werden: Der erste Täter soll etwa 1,70 bis 1,80 Meter groß sein, helle Kurzhaarfrisur, dunkel gekleidet. Der zweite Täter solle 1,80 bis 1,90 Meter groß sein, extrem kurzhaarig, möglicherweise Glatze, bekleidet mit einer Bomberjacke mit weißem Logo oder Aufdruck, etwa 30 Jahre alt. Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei einem Täter auch um eine Frau handeln könne, so sei eine Stimme auf dem Telefonmittschnitt „sehr hell“ gewesen, sagte Küpper.
Oberbürgermeister Jann Jakobs sagte, der Überfall auf den 37-jährigen Ingenieur, der gerade seine Doktorarbeit schreibt, sei der seit langem schwerste Übergriff dieser Art. Der Polizeipräsident sprach von einem „besonders krassen und extremen Einzelfall“. In Potsdam habe es in den vergangenen Jahren zwar Übergriffe gegen ausländische Mitbürger gegeben, dabei habe es sich aber zumeist um „verbale Attacken und leichte Körperverletzungen“ gehandelt.
Michael Erbach
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: