Landeshauptstadt: Warum überhaupt noch wählen?
Hubertus Heil und Mike Schubert diskutierten mit Goethe-Schülern
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Warum denn nun als Erstwähler einen Stimmzettel abgeben? Auf diese Frage haben offenbar viele von den Elft- und Zwölftklässlern der Goetheschule in Potsdam am Donnerstag keine Antwort parat. SPD- Generalsekretär Hubertus Heil und der Vorsitzende der SPD Potsdam Mike Schubert scheinen sich also viel vorgenommen zu haben mit dem Entschluss, eine Podiumsdiskussion zum Thema „Warum noch wählen?“ zu führen.
Zumindest symbolisiert die Mehrheit der gelangweilten, einzeln in die Aula kleckernden Schüler Lustlosigkeit. „Ich bin politisch total uninteressiert. Die können hier erzählen, was sie wollen“ meint Nadja Tank, 18 Jahre alt. Auch ansonsten fliegen viele ähnliche Sätze durch die Schulaula, Sätze wie: „Wehe, es quatscht mich jemand an“, oder „Ich bin eh noch nicht 18, was wollen die von mir?“ Aber bekanntlich kann man auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, etwas Schönes bauen. Heil hat genug Material für einen Steinpalast. Er und Mike Schubert, angekündigt vom Schulleiter Bernd Rudolph als „so etwas wie ein Generalsekretär, nur auf kleinerer Ebene“, stehen vor der zu einem Viertel gefüllten Aula und legen los.
Der stellvertretende Schülersprecher Jens Bosewe eröffnet die Veranstaltung. „Warum ich wähle? Ich möchte nicht, dass die rechten Parteien punkten. Und das tun sie, wenn wir mit unseren Stimmen nicht dagegenhalten.“ Hubertus Heil setzt nach, vermittelt elanvoll den Schülern seine „drei guten Gründe, wählen zu gehen.“ Ernsthaft blickt er sich um. „Es gibt Länder, in denen die Menschen alles geben würden, um wählen zu können. Manchen sitzen im Knast wegen ihren Ansichten. Der zweite Grund wurde schon genannt, die Anhänger von den rechten Parteien gehen immer zur Wahl. Der wichtigste Grund aber: Ich wähle, weil es einen Unterschied macht. Wenn George W. Bush nicht amerikanischer Präsident geworden wäre, hätte die Welt vielleicht ganz anders ausgesehen. Seht ihr, wählen schafft Unterschiede.“
Jetzt sind die Schüler dran. Welches sind die Gründe, die sie dazu treiben im September bei den Kommunalwahlen zum ersten Mal einen Stimmzettel in die Wahlurne zu werfen? Eine Minute peinliche Stille. „Wenn der Erste sich nicht meldet, nehmen wir den Zweiten“, floskelt Heil. Mike Schubert formuliert um. Was seien denn Gründe, nicht wählen zu gehen? René Pacholek aus der elften Klasse hebt zögernd die Hand. „Die Politiker halten ihre Versprechen nicht! Was hat uns Hartz IV denn gebracht? Meine Mutter ist Hartz-IV-Empfängerin. Wir können uns nichts leisten. Ihr könnt viel reden, aber ihr tut nichts zur Verbesserung der Lage.“ Deutlich ist der Frust in seiner Stimme zu hören.
Und Heil kontert. Das Politiker selten Taten sprechen ließen, würden viele denken. Und es mache ihm Angst, dass diese Meinung allgemein vorherrsche, und trotzdem keiner bereit sei, selber etwas ändern zu wollen. „Ihr findet Euch mit der Situation ab, das ist das Problem. Geht in die Politik, ändert etwas!“ Jetzt wachen einige junge Erwachsene auf, Hände schießen in die Höhe. Schüler, die sich vor 20 Minuten noch mit ihren Freunden Anarchie wünschten, erzählen plötzlich, sie hätten selbst schon überlegt Mitglied einer Partei zu werden. Heil macht seine Sache gut, belegt alles an der eigenen Erfahrung und pariert verbale Angriffe mit logischen Ausführungen.
„Das hier ist keine Propagandaveranstaltung der SPD“, hatte Heil zu Beginn gesagt. Auch wenn diese Ankündigung gegen Ende an Substanz verliert, er nämlich schnell ein paar Argumente einflechtet, warum man die SPD wählen sollte, und sich dann auch noch Schlagworte wie Mindestlohneinführung häufen – mit dem Lauf der Diskussion kann er zufrieden sein.
Heil will junge Leute in die Politik locken. Deswegen spart er auch nicht mit lässigen Weisheiten. „Wenn man nicht mitmischt, riskiert man, von Leuten regiert zu werden, die dümmer sind als man selbst.“ Er endet mit einem verlockenden Angebot. „Kommt doch mal in den Bundestag!“ Die Schüler scheinen jetzt begeistert. Einige Politkinteressierte kristallisieren sich nun doch heraus. Ob sie aber wirklich aktiv in die Politik gehen und dort ihre Meinung verbreiten werden, steht damit noch lange nicht fest. Maria Herwig
Maria Herwig
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