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Zwei neue Didaktiker an der Universität Potsdam

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Auch Lehren will gelernt sein. Didaktiker sind die Lehrer der Lehrer, die Ausbilder der Wissensvermittler. Am Institut für Germanistik sind vor einem Jahr gleich zwei Didaktikprofessuren neu besetzt worden. Matthias Granzow-Emden unterrichtet das Lehren der deutschen Sprache, während Martin Leubner das Unterrichten deutscher Literatur lehrt.

Gemeinsam luden sie unlängst zu ihren Antrittsvorlesungen ein und nutzten diesen akademischen Brauch, mit dem sich Neuberufene vor allem dem Kollegium präsentieren, um nicht nur ihren fachlichen Schwerpunkt, sondern auch ihren intellektuellen Anspruch vorzustellen. So verschieden die Fachsprache und die Sachargumentation waren, so übereinstimmend waren sie in ihrem Plädoyer für die Berücksichtigung der Lebenswirklichkeit von Kindern im Unterricht.

Der Linguist Granzow-Emden forderte, Grammatik nicht als normatives Regelwerk anzusehen, sondern als Orientierungsmodell. Didaktik gehe von einer einfachen Prämisse aus: Alles, was in der Schule gedacht werde, beruhte auf Theorien, die sich auch mal jemand ausgedacht habe. Denken ist demnach erlernbar. Einerseits. Andererseits seien die Methodiken des Denkenlernens aber auch hinterfragbar – und veränderbar. So wie die Sprache selbst. An den syntaktischen Strukturen, die auf den Halbsatz „was Hänschen so lernt“ folgen könnten, zeigte Granzow-Emden, dass für den Erwachsenen Sätze richtig klängen, die dem Kinde noch als falsch beigebracht wurden.

Wer sich da stoßseufzend an die Rechtschreibreform erinnerte, wurde sogleich von dem Sprachwissenschaftler in markanten Formulierungen und charmanten Beispielsätzen in die Metaebenen der Grammatik geführt, in der es von „Verbzweitsätzen“ nur so wimmelt, obwohl es sie oft gar nicht geben dürfte. Zumindest wenn es es nach der Schulgrammatik ginge, die der Linguist in ihrer Weltfremdheit ein wenig vorführte. Aber es läge schließlich nicht am Hänschen, dass Sprache nie so eindeutig wie eine Vorschrift sei. Sprache auf Eindimensionalität zu reduzieren bedeutet, sie in Misskredit zu bringen. Und den Kindern das Lernen zu verderben.

Ähnlich warb auch der Literaturwissenschaftler dafür, Schulkindern Literatur als „Weltvorschläge“ zu vermitteln. Sonst bestünde die Gefahr, so Martin Leubner, dass das Bildungspotenzial von Literatur verschenkt werde. So wie grammatikalische Grundregeln erste Orientierung gäben, sollte eine Textuntersuchung sich nicht auf ein „preußisch präzises“ Lesekompetenzmodell beschränken, wie es seit den PISA-Studien immer wieder gefordert werde. Dabei böte sich Literatur für ein hermeneutisches Modell des Textverstehens an. Mindestens genauso wichtig wie die Fähigkeit, die Struktur von Texten zu erkennen, sei es, sie zu deuten.

Eine solche Fähigkeit zum „Abgleich des literarischen Weltvorschlags mit der Lebenswirklichkeit“ ermögliche im besten Fall einen neuen oder differenzierteren Blick auf sich selbst und auf die Beziehung zur Außenwelt oder auch die Entwicklung neuer Einstellungen oder Verhaltensweisen. Um es mit dem Schlusssatz von Granzow-Emden zu sagen: „Damit Hänschen künftig versteht, was es so lernt.“ Lene Zade

Lene Zade

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