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Von Peter Kulka: „Was hätte Knobelsdorff gemacht?“

Die Entscheidung zum Stadtschloss-Landtag ist gefallen: Jetzt spricht der Architekt Peter Kulka über den Sieger-Entwurf

Stand:

Das Konzept für den Neubau des brandenburgischen Landtages entwickelt sich aus der Vorgabe des Bauherren, das Gebäude unter weitgehender Annäherung an die äußere Gestalt des Stadtschlosses Friedrichs des Großen - von dem Architekten Knobelsdorff erbaut - am Alten Markt in Potsdam zu errichten. Als Mindestziel ist die denkmalgerechte Rekonstruktion der außenliegenden Fassaden sowie der Eingangsanlage mit dem bereits wiederhergestellten Fortunaportal einschließlich der Kopfbauten gefordert. Diese Vorgabe verlangte die Auseinandersetzung mit einem immer wiederkehrenden Problem beim Wiederaufbau von historischen Gebäuden, die einer neuen Nutzung zugeführt werden sollen. Diese Erfahrung machten wir mehrfach, zuletzt beim Wiederaufbau der Ruine des Residenzschlosses in Dresden, das sich vom Schloss zum modernen Museum wandelt: Mit solchen Nutzungsänderungen geht nicht selten eine Änderung des Raumvolumens einher. Die zeitgenössische Rekonstruktionsgeschichte zeigt viele Umgangsformen mit diesem Problem. Ziel unseres Entwurfes für das Potsdamer Stadtschloss ist es, äußerlich das Schloss nach dem Entwurf von Knobelsdorff weitgehend original wieder herzustellen. Eine Konfrontation zwischen etwa zwei Drittel „historisch“ und einem Drittel „modern“ ist somit vermieden.

Die Aufgabe „Landtag“ erfordert es, im Inneren ein modernes und funktionales Landtagsgebäude zu schaffen. Übergang und Bindeglied zwischen historischer Hülle und modernem Innenleben bildet das Treppenhaus von Knobelsdorff. Es wird äußerlich original und im Inneren in seiner Geometrie einschließlich der Treppe und den Rudimenten der noch vorhandenen bildhaften künstlerischen Ausstattung wiedererstellt. Verletzungen der Fundstücke bleiben sichtbar und verweisen auf die Zerstörung.

Wir haben uns beim Entwurf die Frage gestellt: Was hätte Knobelsdorff an unserer Stelle gemacht, wenn er sich dieser Aufgabe hätte stellen müssen? Um dem Gesamtausdruck des barocken Stadtschlosses nahe zu kommen, haben wir uns anlässlich der notwendigen Raumvolumenvergrößerung entschieden, das modulare System, die Textur und die Ornamentik der Knobelsdorffschen Fassaden als Grundlage für die Ausbildung der in den Hof hinein vergrößerten Hauptfassade des Südflügels und der Seitenflügel zu verwenden.

Das Schloss, eine 3-flügelige Anlage mit vorgesetzter Bogengalerie und Fortunaportal, ist räumlich und architektonisch auf den Mittelflügel hin konzipiert. Folgerichtig hatte Knobelsdorff die repräsentativen Räume und den Großen Festsaal dort angeordnet. Im diesem Sinne platzieren auch wir die repräsentativen Räume des Landtages analog in diesem Bauteil, wobei der Plenarsaal hinter der historischen Festsaalfassade eingefügt ist.

Zur Unterbringung der Erschließung, der Sitzungssäle, des Plenarsaals und der Räumlichkeiten des Landtagspräsidiums wird der Mittelflügel hierbei zum Innenhof hin vergrößert. Um die Unterbringung der Verwaltungs-, Fraktions- und Abgeordnetenbereiche zu gewährleisten, mussten auch die Seitenflügel von einhüftigen zu zweihüftigen Anlagen erweitert werden. Module, Textur und Ornamentik im Zusammenhang mit dem Rhythmus der vor- und zurückspringenden Fassaden von Knobelsdorff gewährleisten zusammen mit den neu entstehenden ausgewogenen Proportionen des Innenhofes den Geist des Ursprünglichen.

Der Wandel vom feudalen Herrschersitz zum Bürgerschloss vollzieht sich eher leise. Das räumliche Konzept des Entwurfs wird erst durch die Raumabfolge im gesamten Ensemble erlebbar. Der Bürger kommt vom Marktplatz durch das Fortunaportal in den Innenhof, der zum offenen Forum für Veranstaltungen wird. Durch das historische Treppenhaus gelangen Bürger und Abgeordnete gleichermaßen in das gemeinsame Foyer im Erdgeschoss. Neu geschaffene Treppenaufgänge und Aufzüge geleiten von hier aus - erhellt durch großzügige Lichträume - zu den Hauptebenen mit Plenarsaal, Foyer, Bürgertribüne, den großen Sitzungsräumen bis hin zu den Restaurants mit Aussichtsplattform und zur Bibliothek. Der Plenarsaal öffnet sich nach Süden über die historische Kutschvorfahrt zur Havel.

Durch die weitestgehende Beibehaltung der historischen Erscheinung des Äußeren und die gezielte Aufweitung der Grundstrukturen unter Beibehaltung des historischen, modularen Fassadensystems gelingt es, Potsdams barockes Stadtschloss im Sinne von Knobelsdorff sowohl stadträumlich als auch in Fassade und Silhouette wiederentstehen zu lassen. Gleichzeitig wird durch die räumliche Öffnung und Durchlässigkeit von innen nach außen ein moderner und funktionaler Landtag für Brandenburg im Zentrum von Potsdam geschaffen.

Peter Kulka, Jahrgang 1936, gilt als einer der bedeutendsten Architekten in Deutschland. Er machte Furore in Dresden mit dem „Gläsernen Landtag“ und mit dem historisch-modernen Schloss.

Peter Kulka

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