Landeshauptstadt: Was „man“ in Potsdam so signalisiert
Der Gestaltungsrat wird mit Architektur, aber auch mit fehlender Rechtssicherheit konfrontiert
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Es ist nur ein kleiner Wohnmehrgeschosser, den der Potsdamer Gestaltungsrat gestern Nachmittag bewerten sollte. Und doch sah sich das Gremium hochrangiger Architekten sofort mit den besonderen Potsdamer Verhältnissen konfrontiert – die sie freilich gewohnt schonungslos entlarvten. Nachdem Architekt Kay Wieland seinen winkelförmigen Baukörper mit dreieinhalb Geschossen im Auftrag der Wohnungsbaugenossenschaft 1956 eG vorgestellt hatte, stellte Ratsmitglied Christian Rapp etwas irritiert fest: „Wir zählen ein Geschoss zu viel.“ Der Bebauungsplan, ein von den Stadtverordneten mit Gesetzeskraft verabschiedetes Planwerk, sieht für die Johannes-Lepsius-Straße im Wohngebiet „Am Schragen“ zwei und nicht drei Geschosse plus zurückgesetztem Staffelgeschoss vor.
Wieland reagierte verblüfft: „Wir haben die Information, dass das möglich ist.“ Wieland: „Man“ habe signalisiert, es gingen auch drei Geschosse plus Staffelgeschoss, wenn die Haushöhe die laut B-Plan maximal zulässige Bauhöhe von 12,5 Metern nicht überschreitet. Dieser Einwand provozierte Ratsmitglied Martin Reichert, Berliner Bürochef der David Chipperfield Architects, zu einer Klarstellung der Rechtssituation: „Das ist nur durch eine Änderung des Bebauungsplanes möglich.“ Die aber benötigt die Zustimmung der Stadtverordneten, Verwaltungswillkür ausgeschlossen.
In den Augen des Rates ein Geschoss zu wenig hat dagegen das moderne Wohnhaus, dass der Architekt Philipp Jamme für die Adresse Leonardo-da-Vinci- Straße 10 entwarf. Das zweigeschossige Wohnhaus soll im sogenannten Wohngebiet „Beverly Hills“ in der Berliner Vorstadt entstehen. Jamme entwarf ein kleines Kubenwunder, Mara Pinardi vom Gestaltungsrat hätte sich jedoch lieber ein großes gewünscht. Andere Eckbauten des neuen Viertels sind dreigeschossig, eines sogar mit einem fünf Meter hohen Erdgeschoss. Dagegen wirke Jammes Entwurf „zu niedrig“ – „die Ecke wirkt nicht besonders betont.“ Der Entwurf werde der städtebaulichen Besonderheit der Adresse nicht gerecht. Glasklar äußerte sich auch dieses Mal Martin Reichert: „Das Haus ist weniger eine Villa, mehr ein Bungalow.“ Dies noch dazu „im Habitus der 20er bis 60er Jahre ...“ Gleichsam kritisierte Reichert die Gestaltungssatzung der Berliner Vorstadt: Da sei zwar „alles geregelt, aber nicht scharf genug“. Verstöße wie blaue Dachziegel würden zudem nicht geahndet. Der Endeffekt, so Reichert: „Es entsteht bei Weitem nicht die gewünschte Ensemblewirkung.“ Die Häuser folgten dem Geist der Satzung nicht. Jamme indes wurde auferlegt, seinem Entwurf ein Stockwerk hinzuzufügen und die Überarbeitung dem Rat erneut vorzulegen.
Etwas für die „Beutelkunden“ will der Projektentwickler Daniel Egenter zusammen mit Rewe-Manager Dieter Rau tun. Daher planen beide für den Schilfhof 21 am Schlaatz einen neuen Rewe-Markt. Ulla Luther, Vorsitzende des Gestaltungsrates, ist ein wenig entsetzt, Architektur von der Stange vorgesetzt zu bekommen – eine Normhalle, die in „Rothenburg ob der Tauber“ genauso gebaut wird wie anderswo im Land. „Jeder Ort braucht aber seine eigene Antwort“, fordert Ulla Luther streng. Angesichts der geplanten Standardhalle blieb dem Rat nur übrig, Verbesserungsvorschläge für den Kundenparkplatz zu machen. Guido Berg
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