
© Manfred Thomas
Sport: Was Muskeln verraten
Die Angewandte Kinesiologie ist ein noch junges Verfahren zur Diagnose von Sportverletzungen. Für die Potsdamer Läuferin und Sporttherapeutin Diana Lehmann gehört es zum Behandlungsalltag
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Ein Läufer, der sich zuletzt ständig müde fühlt und beim Training schnell schwere Beine bekommt, liegt auf der Behandlungsbank und soll gegen Widerstand sein Bein gebeugt halten. Es gelingt ihm nicht. Er soll ein Röhrchen mit einem Kalium-Magnesium-Präparat in die Hand nehmen und den Versuch wiederholen. Und plötzlich klappt es. Was wie Zauberei klingt, hat einen Namen: Angewandte Kinesiologie (AK).
Es war der amerikanische Chiropraktiker George Goodheart, der bei der Behandlung eines Patienten mit Schulterschmerzen erstmals das Phänomen entdeckte, dass nicht durch die Behandlung der schmerzhaften Stelle, sondern der umgebenden Muskulatur, das Problem gelindert wurde. Er erkannte, dass die Ursache für die Schulterbeschwerden eine Funktionsstörung der Muskulatur war. In den folgenden 50 Jahren hat sich parallel zu den herkömmlichen Methoden wie Blutbildanalysen oder Röntgenbildern die Angewandte Kinesiologie als ein neues Diagnoseverfahren entwickelt. In Deutschland findet das Verfahren seit Mitte der 80er-Jahre in Praxisräumen Anwendung – auch bei der Potsdamer Sporttherapeutin Diana Lehmann. Die erfolgreiche Läuferin – sie gewann den Schlösser- und mehrmals den Rennsteiglauf sowie den renommierten Swiss Alpine Marathon – sorgt sich inzwischen darum, dass Sportler auf der Höhe bleiben. Zugang zum Prinzip der Angewandten Kinesiologie fand sie, als sie selbst aufgrund einer Schienbeinverletzung außer Gefecht war. „Ich bekam vom Arzt zu hören, was kein Läufer oder Sportler gern hört – dass ich nicht laufen soll“, erzählt sie. Laufpause als Therapie erschien ihr als zu einfach und wenig akzeptable Empfehlung. Daher habe sie sich nach dem AK-Prinzip behandeln lassen und habe schnell gemerkt, dass die Therapieansätze effektiv sind. In der Folge ging sie nicht nur wieder laufen, sondern machte selbst eine AK-Ausbildung.
Verglichen mit der tradtionellen Schulmedizin ist die AK eine sehr junge Richtung der Diagnostik. „Man nutzt den Muskel als diagnostisches Werkzeug“, beschreibt Lehmann das Prinzip, um Ursachen eines Schmerzes oder einer Einschränkung auf den Grund zu gehen. Oft ist der Körper, beziehungsweise eines seiner Systeme, aus dem Gleichgewicht geraten, sodass es darum geht die Balance wiederherzustellen. „Das gelingt, indem man die eigene Regulationsfähigkeit des Körpers animiert.“
Das Spektrum an Ursachen für funktionelle Störungen ist breit gefächert und nicht immer reicht eine MRT-Aufnahme oder ein Blutbild für einen Befund aus. „Ein Blutbild kann völlig unauffällig sein, aber dennoch kann es Beschwerden geben“, sagt Lehmann. Auch Schmerzen im Bereich des Knies lassen sich nicht zwangsläufig auf einer Röntgen- oder MRT-Aufnahme abbilden. „All die Verfahren sind als Diagnosemittel natürlich wichtig und notwendig, können unter Umständen aber nicht weiterhelfen“, sagt Lehmann. Denn Energiearmut durch Stress, eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, Depression oder Müdigkeit lassen sich nicht röntgen oder nur über spezifische Tests im Labor feststellen. Mit der Angewandten Kinesiologie wird geprüft, ob zum Beispiel Substanzen – wie Kalium-Magnesium, die den Zellstoffwechsel beeinflussen, den Zustand der Muskulatur ändern.
Die Behandlung der festgestellten funktionellen Störungen kann durch mechanisch-strukturelle Maßnahmen – durch Mobilisation – erfolgen oder durch stoffliche Therapie mit der Ergänzung fehlender oder mangelnder Mikronährstoffe, wozu Vitamine und Mineralien gehören. Auch die cranio-sakrale Therapie ist ein Behandlungsansatz: Mit spezifischen Techniken und sanften Berührungen an Schädel, Kreuzbein und Wirbelsäule wird die „Heilung von innen“ gefördert. Einen weiteren Zugang bieten die mentalen Faktoren, die den Funktionszustand der Muskulatur wesentlich beeinflussen können.
„Das Faszinierende an der angewandten Kinesiologie ist, dass es verschiedene Zugänge gibt, um Schmerzen zu lindern. Es ist nicht nur eine Methode, sondern vereint mehrere“, sagte Diana Lehmann
Doch betont sie, dass keine noch so belastbare Diagnose und guter Therapieansatz die Eigenverantwortung des Patienten oder Sportlers ersetzt. „Ich kann nur Empfehlungen geben, aber wenn die nicht umgesetzt werden, lässt der Behandlungserfolg länger oder gänzlich auf sich warten“, sagt sie. Dann könnte die Laufpause länger sein, als es lieb ist.
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