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WEIMERS Woche: Was soll das?

Wolfram Weimer über eine Begegnung mit Oskar Lafontaine

Stand:

Vor ein paar Tagen besuche ich Oskar Lafontaine in seinem – ziemlich dunklen – Bundestagsbüro. Dass er hinter seinem Schreibtisch ein Papstbild Benedikts XVI. postiert hat, verblüfft mich sehr. Mit süffisantem Schalk erklärt er mir, dass er nach wie vor Katholik und Kirchensteuerzahler sei. „Na, dann gibt es ja noch Hoffnung“, sage ich. Er verweist darauf, dass der Papst gegen den Kapitalismus sei. „Aber auch gegen den Sozialismus“, erwidere ich, und schon beginnt ein Streitgespräch. Er verrät dabei Genugtuung über seine Rache an der SPD und über sein Comeback. Er strotzt vor Angriffslust. Nur einmal kommt ein Anflug von Scham über sein Gesicht. Und zwar als ich nach den Opfern des Kommunismus frage.

In unserer Nachbarschaft in der Potsdamer Leistikowstraße wird nämlich gerade das ehemalige KGB-Gefängnis zur Erinnerungsstätte ausgebaut. Es ist ein entsetzlicher Folterkeller der Stalinisten gewesen, und wer einmal vergessen sollte, wie grausam Links-Diktaturen sind, dem sei dort ein Besuch empfohlen.

An dieses Haus muss ich jedenfalls denken, als Lafontaine gerade davon schwadroniert, dass der venezolanische Links-Diktator Hugo Chavez – das ist der, der Fernsehsender schließt, die Armee in die Straßen schickt, politische Gegner verhaften und foltern lässt – doch eine ganz prächtige Verstaatlichungspolitik betreibe. Da just die venezolanische Botschafterresidenz ebenfalls in meiner Straße unweit des ehemaligen KGB-Gefängnisses liegt, kommt mir also die Frage in den Sinn, ob er, Lafontaine, denn schon einmal ein Stasi-Gefängnis besichtigt habe. Vielleicht in Hohenschönhausen oder eben bei uns in Potsdam?

Lafontaine ist für eine Sekunde verblüfft und fragt: „Was soll das?“ Ich darauf: „Na, haben Sie sich das mal angeschaut, was die DDR konkret bedeutet hat. Kennen Sie die Orte der Schuld?“ Kennt er nicht. Er antwortet zynisch: „Die ganze Welt ist voller Orte von Schuld. Ich habe viele aufgesucht.“ Die Leistikowstraße natürlich nicht. Leider.

Wolfram Weimer schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor ist Chefredakteur des Magazins „Cicero“ und lebt mit seiner Familie in Potsdam

Wolfram Weimer

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