Landeshauptstadt: „Was tun Sie gegen den sauren Regen?“
Japanische Studenten und Jugendleiter besuchen Potsdam – Verwunderung inklusive
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Japanische Studenten und Jugendleiter besuchen Potsdam – Verwunderung inklusive Von Michael Kaczmarek Sie stehen neben den Stühlen, und erst, nachdem Elona Müller die Gäste bittet, sich zu setzen, nehmen sie Platz. Schnell ziehen sie Zettelblock und Stift aus der Tasche und schreiben mit, was die Sozialbeigeordnete über die Stadt Potsdam erzählt. Selbst der bereitgestellte Kaffee und Kuchen bleibt unangerührt – bis die Gastgeber zuerst zugreifen. Potsdam und der Stadtjugendring haben noch bis zum 2. März 17 Japaner zu Besuch, die mehr über die ehrenamtliche Arbeit in Deutschland erfahren wollen. Gestern wurden die japanischen Jugendleiter und ehrenamtlich engagierten Studenten von Müller im Stadthaus empfangen. Immer mit dabei sind zwei Übersetzer, ohne die, zumindest auf Deutsch, nichts geht. „Untereinander verständigen sich die Jugendlichen auf Englisch“, erklärt Dirk Harder vom Stadtjugendring, der dieses sechste Austauschtreffen organisiert. Die meisten der jungen Leute zwischen 19 und 24 Jahren sind das erste Mal in Europa. Was die Sozialbeigeordnete erzählt, wirft bei den Zuhörern sofort viele Fragen auf: Wie funktioniert das mit der Sozialhilfe? Wir sehen Jugendliche, die betteln. Sind die wirklich so arm? Wie wird die Ausbildung in der Freiwilligen Feuerwehr anerkannt, und was macht Potsdam eigentlich gegen den sauren Regen, der die Fassaden angreift? Müller versucht zu erklären, was selbst den deutschen Beteiligten ein rotes Tuch zu sein scheint. „Dass es 285 Euro Sozialhilfe plus Zuschüsse geben soll, haut wohl kaum hin“, raunt Thomas von der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Potsdam in die Runde. Harder bietet den Japanern an, einem Streetworker über die Schulter zu schauen, um so Gesetzeslage und Wirklichkeit abzugleichen. Bei der Frage, was Potsdam gegen die Deflation unternimmt, muss Müller endgültig passen. „Für solche Fragen sind wir als Stadt eine Nummer zu klein.“ Größer hatte sich Yuki Chihara die Stadt Potsdam auch beim Thema Sauberkeit vorgestellt. Er sei enttäuscht, Zigarettenstummel und Müll auf den Straßen vorzufinden. „Ich dachte, Deutschland wäre mit dem Umweltschutz fortschrittlicher“, sagt der 19-jährige aus Kyoto, der in Tokyo studiert. Dass es in Potsdam noch Kopfsteinpflaster und gut gepflegte Ziegelhäuser gibt, ist für den Japaner dagegen beeindruckend. Seiner Mitstudentin Yuri Shimamura ist vor allem aufgefallen, dass die deutschen Jugendlichen viel offensiver ihre Meinung äußern. „Das gibt es so bei uns nicht“, erklärt die 19-jährige.
Michael Kaczmarek
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