Homepage: Wege aus der Todesangst Psychose-Seminar an der Fachhochschule Potsdam
Wenn es draußen früh dunkel wird im Herbst, brennt im Raum 4070/71 der Fachhochschule Potsdam (FH) noch Licht. Hier treffen sich – kürzlich zum vierten Mal in diesem Semester – die Besucher des Psychose-Seminars unter der Leitung des Psychiaters Prof.
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Wenn es draußen früh dunkel wird im Herbst, brennt im Raum 4070/71 der Fachhochschule Potsdam (FH) noch Licht. Hier treffen sich – kürzlich zum vierten Mal in diesem Semester – die Besucher des Psychose-Seminars unter der Leitung des Psychiaters Prof. Peter Stolz. Regelmäßig kommen seit zehn Jahren bis zu 80 psychoseerfahrene Menschen, Angehörige, Studierende und psychiatrische Fachkräfte, an der FH in großer Runde zusammen. Im offenen Gespräch tauschen sie sich hier zu verschiedenen Themen rund um das Krankheitsbild Psychose aus.
Das Thema dieses Abends „Todesangst und Todessehnsucht“ ist von besonderer Bedeutung, da sich ein Besucher des Seminars vor einiger Zeit selbst das Leben genommen hatte. „Ich bin erschüttert, aber sehr froh, dass wir uns hier heute Abend daran erinnern können“, geht Prof. Stolz zu Beginn des Seminars auf den Vorfall ein. „Für mich ist jedes suizidale Verhalten Verzweiflung, weil es auf einen Punkt zuläuft, an dem es nicht mehr weitergeht“, eröffnet der Psychiater anschließend die offene Gesprächsrunde.
Ein junger Mann erzählt daraufhin, dass er vor vielen Jahren einmal selbst kurz davor war, von einem Turm zu springen. Eine Mitarbeiterin einer psychiatrischen Tagesstätte äußert ihre Wut und Trauer darüber, dass sie nichts tun konnte, um einer jungen Frau zu helfen, die von Todesängsten gequält wurde. Prof. Stolz gibt zu bedenken: „Die Ohnmacht ist riesig, aber jedes Gespräch hilft, so etwas wie Selbstmord zu vermeiden.“
Eine ältere Frau, Mutter von zwei manisch-depressiven Söhnen, erzählt von ihren Ängsten, dass sich einer ihrer Söhne etwas antun könnte. „Da kann man nichts tun“, stellt sie in den Raum. „Ich sage nicht, dass man Suizid verhindern kann“, meint Prof. Stolz. „Aber unsere Hoffnungslosigkeit ist oft eine Antwort auf die Hoffnungslosigkeit auf der anderen Seite.“ Seiner Ansicht nach addieren sich diese Haltungen. Somit spricht er im Falle der Angehörigen für eine Haltung, die sich der Hoffnungslosigkeit wenn irgend möglich entgegenstellt.
Die Angehörigen werden während des Seminars wiederholt eingeladen zu sprechen: Was ist Todessehnsucht? Ein Versuch im Gespräch eine Brücke zu schlagen in die Erlebniswelt der Menschen, die mit Todessehnsüchten und Ängsten Erfahrung haben. Eine Mutter berichtet von ihrem Sohn, der ihr gesagt hatte eine erneute Psychose würde er nicht mehr ertragen. Ihre Tochter hingegen empfindet Selbstmord als einen egoistischen Akt. Typisch sei der Satz: „Ich entscheide, dass ich mein Leben beende.“
Eine andere Angehörige bringt jedoch noch eine weitere Sicht auf diese Frage ins Gespräch. Sie erzählt von dem Brief, den ihr Mann geschrieben hatte, als er einen Selbstmordversuch unternommen hatte. „Ich wollte verstanden werden“, habe er geschrieben. Um dieses gegenseitige Verständnis der Menschen untereinander ringt das Seminar. In einer extrem schwierigen Lebenslage, wie sie eine Psychoseerkrankung mit sich bringt, ist das einander Zuhören eine besondere Herausforderung.
Prof. Stolz weist am Ende des Seminarabends darauf hin, dass es nicht viele Orte gibt, an denen sich Menschen so offen in so großer Runde über Suizid austauschen. „Ich glaube dass es unserer eigenen Entwicklung im Seminar geschuldet ist, dass wir darüber sprechen konnten“, sagt Stolz. Friedmar Tielker
Das nächste Psychose-Seminar zum Thema Psychiatrische Fachkräfte findet am 29. November von 18-20 Uhr an der FH, Friedrich-Ebert-Straße 4, Raum 4070/4071 statt.
Friedmar Tielker
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