Von Thomas Gantz: Wehmut und Vorfreude
VfL-Torwart Ariel Panzer verlässt Potsdam vorzeitig
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Bei den großen Fragen des Lebens müssen ab und an die russischen Klassiker herhalten. Und wer würde sich da besser eignen als Leo Tolstoi? Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann, hat Tolstoi in einem seiner Werke behauptet. Das mag für Zwischenmenschliches gelten, für die Börse vielleicht auch. Im Berufssport zahlt sich Geduld in bestimmten Fällen ebenfalls aus – vorausgesetzt, man bleibt im betreffenden Fall immer Herr des Verfahrens. Ariel Panzer, der Torhüter des Handball-Zweitligisten VfL Potsdam, war während der vergangenen Monate clever genug, diesen Grundsatz zu beherzigen.
Der Deutsch-Argentinier hatte für sich, wie er sagt, noch im alten Jahr den Entschluss gefasst, den Verein zu wechseln. Über die Gründe hätte sich der 36-Jährige noch im April wesentlich emotionaler ausgelassen als heute. Den Kerngedanken seines Weggangs zum Liga-Kontrahenten VfL Bad Schwartau brachte der Liebling der Potsdamer Handballfans jedoch auch vorgestern noch einmal an: „Ich hatte beim VfL Potsdam den Spaß am Handball verloren und kam schon seit längerer Zeit mit dem Trainer nicht mehr klar. Die Mentalitätsunterschiede waren einfach zu groß, wir haben zuletzt kaum noch miteinander gesprochen.“
Panzer will es damit genug sein lassen und redet nicht noch einmal davon, dass ihn Peter Melzer für zu schwergewichtig, leichtlebig und trainingsfaul gehalten haben soll. Der verspätete und auch mit Leichtgläubigkeit verbundende Versuch vom vergangenen April, den Könner zwischen den Pfosten doch noch in Potsdam halten zu wollen, amüsiert ihn mittlerweile. Er war überflüssig. Panzer stand längst in Lübeck im Wort und unterschrieb dort Mitte April einen Zweijahresvertrag. „Wir wollten ihn unbedingt. Ich habe mich persönlich für sein Kommen ins Zeug gelegt“, so Michael Friedrichs, der Sportliche Leiter des VfL Bad Schwartau, der im kommenden Jahr ernsthaft um den Erstliga-Aufstieg mitspielen will.
Wesentlich schneller als ursprünglich geplant vollzieht sich nun Panzers Abschied aus Potsdam. Er empfindet Wehmut. Gestern Vormittag gab es ein abschließendes Treffen mit dem VfL-Vorstand, in dem es auch um eine vorzeitige Räumung von Panzers Wohnung in Potsdam-West ging. Die Abwehrspieler Philipp Barsties und Robert Takev werden sich dort in absehbarer Zeit einquartieren. Panzer nahm seinen gesamten restlichen Jahresurlaub und schaffte gestern schon Teile seines Hausrates nach Lübeck.
Vor ihm liegen sieben handballlose Wochen. In Lübeck steigt er eine Woche verspätet in die Vorbereitung ein. „Ich werde diese Zeit genießen“, sagt er und erzählt davon, endlich auch einmal wieder zu seiner Familie nach Buenos Aires fliegen zu können. Während seiner Zeit in Potsdam, von der er bereits jetzt mit viel Sympathie und Dankbarkeit spricht, war ihm das nicht ermöglicht worden.
In Lübeck wird sich Ariel Panzer nebenher bei einem Sponsor für die Zeit nach dem Handball fit machen. Die Kenntnisse der deutschen Sprache noch einmal im Schriftbild zu vertiefen, steht im kommenden Herbst an. Ebenso eine Art Familienzusammenführung, blieb seine Ehefrau Anja, die als Architektin arbeitet, während der vergangenen Jahre doch immer in Düsseldorf, wo die Panzers eine Wohnung in bester Lage mieten, die sie bislang nicht aufgeben mochten. Ob Lübeck auf Dauer zum neuen Lebensmittelpunkt wird? „Ich kann mir das durchaus vorstellen“, sagt Panzer.
Thomas Gantz
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