Aus dem GERICHTSSAAL: Weiblicher Hilfssheriff oder Zivilcourage?
Angeklagter: Ich fühlte mich provoziert / Geldstrafe
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Aus dem GERICHTSSAALAngeklagter: Ich fühlte mich provoziert / Geldstrafe Es ist alles andere als schön, wird einem von Fremden die Grundstückseinfahrt zugeparkt. Passiert dies regelmäßig, kann man schon einmal ausrasten. So wie Ingeborg B.* (63) am 7. Juli dieses Jahres. Charles K.* (49) glaubt allerdings, die Frau habe ihre Kompetenzen überschritten. Die resolute Anwohnerin hingegen sieht sich als Opfer des Engländers und erstattete Anzeige gegen Charles K. wegen Körperverletzung sowie Hausfriedensbruchs. Doch der Reihe nach: Der Dolmetscher war mit seinen Söhnen verabredet, parkte deshalb im Halteverbot vor dem Haus von Ingeborg B. Die Jungs verspäteten sich. Plötzlich – so die Darstellung des Charles K. – stürmte die Frau mit einem Fotoapparat aus ihrem Anwesen, erklärte in feindlichem Ton, sein Handeln werde teuer und schoss mehrere Fotos vom Nummernschild seines Autos. „Davon fühlte ich mich provoziert.“ Nach der Drohung, den Falschparker bei der Polizei anzuzeigen, sei sie in ihrem Garten verschwunden. „Ich war schockiert und rief, sie solle bleiben. Man hätte die Angelegenheit doch in Ruhe klären können. Ich wäre sofort weggefahren, wenn ich jemanden behindert hätte.“ Die Beamten, die wenig später in der Siedlung eintrafen, hätten Charles K. zu verstehen gegeben, Ingeborg B. sei bereits als Hilfssheriff berüchtigt. „Sie sollen der Frau ins Wohnzimmer gefolgt sein und sie geohrfeigt haben“, bremst Amtsrichterin Judith Janik den Redefluss des Übersetzers. Charles K. schüttelt den Kopf. „Ich bin ihr ein paar Schritte nachgelaufen, aber ich habe sie weder verfolgt noch berührt.“ „Wir hatten ein Fahrzeug bestellt und wollten den Haushalt auflösen“, schildert Ingeborg B. die Situation. „Mein Mann bat mich, im Garten zu bleiben und ein Auge auf die Einfahrt zu haben.“ An jenem Tag habe sie bereits mehrere wilde Parker weggeschickt. Als sie den Angeklagten „in ruhigem Ton“ aufforderte, sein Fahrzeug woanders abzustellen, habe dieser nur abgewinkt und erklärt, sie habe ihm gar nichts zu sagen, schließlich sei sie nicht die Polizei, erinnert sich die Kostümbildnerin im Ruhestand. Es habe sich ein Wortwechsel entwickelt, der auf beiden Seiten zunehmend erregter geführt wurde. „Zwecks Beweisführung habe ich dann sein Auto fotografiert.“ Als sie mit dem Corpus delicti zurückeilen wollte, habe ihr Charles K. den Fotoapparat entrissen, den Film entfernt. „Dann folgte er mir über die Terrasse ins Wohnzimmer und klatschte mir seine Hand ins Gesicht“, empört sich die Zeugin. Nach dieser Entgleisung sei der Engländer ebenso schnell verschwunden, wie er gekommen war. Die wenig später eintreffenden Polizisten bemerkten allerdings keine gerötete Wange der selbst ernannten Streiterin für Recht und Ordnung. So wird Charles K. lediglich wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Der kostet ihn allerdings 225 Euro. (*Namen geändert.)G. Hohenstein
G. Hohenstein
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