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Landeshauptstadt: Weihnachten hinter Gittern

Entenkeule oder multikulturelles Buffet im Berliner Knast

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Entenkeule oder multikulturelles Buffet im Berliner Knast Von Jeanette Tandel und Claudia Stäuble Berlin. Das Fest der Liebe bringt für die meisten Menschen den Wunsch nach Frieden, Harmonie und Familienzugehörigkeit mit sich. Von den über 5000 Häftlingen in Berliner Gefängnissen können allerdings nur wenige Zeit bei den Menschen verbringen, die ihnen nahe stehen. In den Justizvollzuganstalten wird Weihnachten deshalb nicht vergessen. „Wir haben mehrere Tannenbäume und Kränze aus unserer Gärtnerei aufgestellt“, sagt der Leiter der Justizvollzugsanstalt Tegel, Klaus Lange-Lehngut. Besonders die Kirche sei festlich geschmückt. Am Heiligen Abend wird dort ein evangelischer Gottesdienst abgehalten. Am 2. Weihnachtsfeiertag besucht der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky die Gefangenen und zelebriert eine Messe. Auch beim Essen wird dem Anlass Rechnung getragen. Nach Bockwurst und Kartoffelsalat zu Heiligabend kommen an den Feiertagen Entenkeule und Hirschgulasch auf die Teller der rund 1700 Männer. Die Insassen können auch Besuch bekommen, vorausgesetzt sie haben ihn beantragt und ihre monatliche Besuchszeit - viermal eine Dreiviertelstunde - noch nicht aufgebraucht. „Unser Sprechzentrum ist an allen drei Tagen geöffnet“, sagt Lange-Lehngut. Als Geschenk darf allerdings nur Geld überreicht werden, mit dem die im Raum aufgestellten Warenautomaten gefüttert werden können. „Weihnachtstüten vom Staat gibt es für die Gefangenen wegen der angespannten Haushaltslage schon seit Jahren nicht mehr“, berichtet Lange-Lehngut. Jeder Gefangene dürfe aber zu Weihnachten ein Paket empfangen. Um Insassen ohne Angehörige kümmerten sich die Pfarrämter. Zu Weihnachten gebe es keine besonders schlimmen Tage mit großer Emotionalität oder Lebenskrisen, hat der Anstaltsleiter beobachtet. „Der psychologische Notdienst wurde vor längerer Zeit abgeschafft, weil er nicht gefragt war“. Auch in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Pankow wird Weihnachten begangen. Ein gemeinsamer, multikultureller Gottesdienst steht allen Konfessionen offen. „Bei uns organisieren die weiblichen Häftlinge das Weihnachtsfest eigenständig“, erzählt Vollzugsleiterin Gabriele Kux. Die rund 60 Frauen haben die Möglichkeit, in einem kleinen Laden einzukaufen und gemeinsam zu kochen. Da viele der Inhaftierten aus Osteuropa, der Türkei und Vietnam stammen, gebe es in den Wohngruppen häufig kleine Weihnachtsbuffets mit verschiedenen Nationalgerichten, sagt Kux. „Die Frauen sind manchmal sehr kreativ und schaffen es, mit ganz wenigen Mitteln eine stimmungsvolle Atmosphäre zu schaffen“, betont Kux. Da werden schon mal ein Bettlaken zur Tischdecke umfunktioniert und Sterne aus Papier gebastelt. Weihnachten im Frauengefängnis sei trotzdem von einer eher traurigen Stimmung überschattet. Besonders Frauen mit eigener Familie litten unter der Trennung von ihren Kindern. Sie dürfen sie zumindest mit ihrer eigenen Telefonkarte die ganzen Feiertage über anrufen. Besuche sind - aus Personalgründen - über die Weihnachtstage nicht erlaubt. „Es gibt bei uns keine gravierenden Spannungen an den Feiertagen, eher ein größeres Harmoniebedürfnis“, beschreibt Kux die Stimmung. Ganz oben auf dem Wunschzettel der jungen Männer in der Jugendstrafanstalt Berlin steht das Ausschlafen, sagt Anstaltsleiter Marius Fiedler. „Ganz nach ihrem Talent“ kochen oder backen die jungen Männer dann gemeinsam in ihren Wohngruppen. Mit Genehmigung vom Chef lassen sie die notwendigen Zutaten von JVA-Mitarbeitern außerhalb der Gefängnismauern einkaufen. In jeder Gruppe hilft ein Sozialarbeiter beim Festmahl und ist am Heiligabend dabei. Um die Feiern in den Wohngruppen nicht zu unterbrechen, findet der Gottesdienst nicht am 24. Dezember, sondern erst einen Tag später statt.

Jeanette Tandel, Claudia Stäuble

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