Landeshauptstadt: Weitere Verwirrung
Im „Ermyas-Prozess“ werfen Aussagen von Zeugen weitere Fragen auf – auch zum Verhalten des Opfers
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Im „Ermyas-Prozess“ haben gestern Zeugenaussagen den Fall noch unübersichtlicher erscheinen lassen. Eine Polizistin sagte im Potsdamer Landgericht, der zweite Angeklagte habe kurz nach seiner Festnahme am 20. April 2006 eine Aussage gemacht, „die schon merkwürdig war“. Thomas M. habe sich nicht mehr genau erinnern können, was er vier Tage zuvor, am Ostersonntag, gemacht hatte. In der Nacht zum 16. April war der Deutschäthiopier Ermyas M. in Potsdam durch einen Faustschlag gegen den Kopf lebensgefährlich verletzt worden. Die Polizistin wunderte sich, dass Thomas M. am 20. April das vergangene Wochenende „nicht mehr einsortieren“ konnte, obwohl da sogar seine Freundin Geburtstag hatte. Thomas M. habe mehrere Versionen genannt und dann korrigiert, sagte die Beamtin. Auf Nachfragen habe er geäußert, „ich will jetzt bloß nichts Falsches sagen“.
Eine Beteiligung an der Tat haben Thomas M. und der ebenfalls am 20. April festgenommene Hauptangeklagte Björn L. allerdings von Anfang an bestritten. Die Staatsanwaltschaft wirft Björn L. vor, er habe Ermyas M. den Schlag gegen den Kopf versetzt. Thomas M. soll das zu Boden gefallene Handy des Opfers weggetreten haben, damit Ermyas M. keine Hilfe herbeitelefonieren konnte. In der Anklage wird Björn L. und Thomas M. zudem vorgeworfen, sie hätten den Deutschafrikaner als „Nigger“ beleidigt.
Die Angaben der Polizistin waren allerdings auch für Ermyas M. unangenehm. Einer der Verteidiger von Björn L. befragte die Beamtin zur Aussage eines jungen Mannes, der mit seiner Freundin in der Nacht zum 16. April in der Nähe des Tatorts unterwegs war. Das Paar hatte in einer Haltestelle auf einen Bus gewartet. Dort habe auch ein dunkelhäutiger Mann „mit einem starren, bösen Blick“ gestanden, zitierte die Polizistin den Zeugen. Er habe den Unbekannten später anhand von Lichtbildern als Ermyas M. identifiziert. Der Deutschäthiopier soll etwas genuschelt haben, was der Zeuge als „anpöbelnd“ empfand, ohne es genau verstanden zu haben, sagte die Beamtin.
Die Ermittlungen hatten ergeben, dass Ermyas M. in der Nacht zu Ostersonntag angetrunken war und leicht reizbar. Der von der Beamtin zitierte Zeuge hatte aber den Tatablauf nicht beobachtet. Wie Ermyas M. und die Täter aneinander gerieten, ist nicht lückenlos geklärt. Der Prozess wird wegen der Osterferien erst am 18. April fortgesetzt.
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