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Landeshauptstadt: Wenige Widerständler

Potsdams Initiative gegen Hartz IV zieht Bilanz

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Innenstadt - Fast ein wenig neidisch klingt Horst Jäkel, wenn er nach Neuruppin blickt. Dort demonstrierten am Montag vor einer Woche fast 70 Menschen gegen die von ihnen als ungerecht empfundene Sozialreform. Zu der gestrigen Demonstration am Platz der Einheit kamen dagegen rund 30, meist ältere Teilnehmer, um ihrer Enttäuschung über „die Politik“ Ausdruck zu verleihen. Für Jäkel ein gewohntes Bild: Bei den zwölf Demonstrationen des Potsdamer Aktionsbündnisses gegen Hartz IV fanden sich dieses Jahr selten mehr Menschen ein.

Horst Jäkel, der die Proteste organisiert, glaubt zu wissen, woran dies liegt: „Viele der rund 10 000 Arbeitslosen in Potsdam sind eingeschüchtert oder schämen sich wegen ihres Schicksals.“ Dadurch hätten auch viele den Glaube daran verloren, dass sich durch öffentliche Proteste etwas an ihrer Situation ändere. Doch Jäkel wie auch sein Mitstreiter Donald Gärtner glauben an ihre Sache. „Überall in diesem Land gibt es kleine versprengte Haufen wie uns“, ruft Gärtner durch ein Megafon den Demonstranten zu und versucht ihnen Mut zu machen. Er argumentiert mit dem Grundgesetz: Durch Hartz IV würde der erste Artikel über die Würde des Menschen ausgehebelt. „Unsere Würde wird uns weggenommen.“ Ebenso hielten sich die deutschen Unternehmer nicht mehr an den Grundsatz, dass Eigentum zu sozialer Verantwortung verpflichte. So ruft Gärtner lautstark zum Widerstand gegen jene Politiker auf, die den Sozialstaat abschaffen wollten. Die wenigen Umstehenden klatschen beifällig. Unter ihnen ist der Landesvorstands-Chef der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), Steffen Hultsch. Auch ein Vertreter der Deutschen Kommunistische Partei ist anwesend.

In ihren kurzen Redebeiträgen bezeichnen sie sich als die Vertreter der Interessen des Volkes. So wettert Jäkel etwa gegen eine Justiz, die „die Ackermänner in Deutschland laufen lässt“. Und er ist gegen die Rente mit 67: „Im Grunde genommen läuft dies auf eine Kürzung der Altersbezüge heraus.“ Doch wie er mit solchen Thesen auch wieder breitere Teile der Bevölkerung als gestern erreichen kann, darüber ist sich auch Jäkel im Unklaren. Enttäuscht zeigt er sich von den Gewerkschaften. Denn er und seine Kollegen vom Aktionsbündnis gegen Hartz IV würde sich an vielen Demonstrationen der Arbeitnehmervertreter beteiligen. Nur umgedreht gäbe es kaum Engagement. Auch das Verteilen von Handzetteln vor dem Arbeitsamt habe nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. „Viele sagen erst einmal, dass sie kommen, sind dann aber doch nicht da.“ Besserung erhofft sich Jäkel von einem Treffen Anfang nächsten Jahres, bei dem dann alle Anti-Hartz-IV-Initiativen Brandenburgs über ihre Strategien reden. Ob deswegen auf der nächsten Demo am 15. Januar mehr Menschen kommen als gestern, ist allerdings ungewiss. H. Kramer

H. Kramer

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