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81 000 Fahrzeuge nutzen jeden Tag die Nuthestraße. Familie Fröhlich wohnt direkt neben der Landesstraße, die ihnen vor 37 Jahren vor die Tür gebaut wurde. Seit die Mauer fiel, hoffen sie auf eine Lärmschutzwand  bislang vergeblich.

© Andreas Klaer

Von Peer Straube: Wenn der Laster zum Nachbarn wird

Seit der Wende kämpfen Ingrid und Rüdiger Fröhlich für eine Lärmschutzwand an der Nuthestraße

Von Peer Straube

Stand:

Am Stern - Es herrscht Krach wie an einer Autobahnraststätte. Aufgereiht wie an einer Perlenschnur donnern die Fahrzeuge vorbei: Autos, Motorräder, Sattelschlepper. Auf der Nutheschnellstraße sind es derzeit täglich 81 000. Und unterhalb der Straße, in einer Entfernung von vielleicht 30 Metern, ungeschützt vor all dem Lärm, steht das Haus von Ingrid und Rüdiger Fröhlich.

Es stand schon dort, als es die Straße noch gar nicht gab. 1972 wurde den Fröhlichs die neue Magistrale vor die Haustür gebaut. Das Häuschen ist hübsch, der Garten eine Idylle – wenn nur der Krach nicht wäre. Im Jahr 20 nach dem Mauerfall kämpfen Fröhlichs für eine Mauer vor ihrer Tür, für eine Wand gegen den Verkehrslärm. „Nichts, gar nichts ist passiert“, sagt Rüdiger Fröhlich. Ihr Schlaf sei unruhig und kaum noch erholsam, fügt seine Frau Ingrid hinzu. „Wir werden immer nervöser.“

Der Schriftwechsel mit Ämtern füllt inzwischen mehrere Aktenordner – ein endloser Wust von Gutachten, Zuständigkeitsverweisen und Ablehnungen.

Die Nutheschnellstraße ist eine Landesstraße und somit liegt die Zuständigkeit für Lärmschutzmaßnahmen beim Brandenburgischen Straßenbauamt. Dort hat man den Wunsch der Fröhlichs bereits beschieden. Und zwar abschlägig, wie es so schön im Amtsdeutsch heißt. Als der betreffende Abschnitt der Nuthestraße 1999 erneuert wurde, teilte man dem lärmgeplagten Ehepaar unter Verweis auf die Rechtslage schriftlich mit: „Da im Bereich Ihres Grundstückes weder ein Neubau, noch eine wesentliche Änderung der Nuthestraße vorgenommen wird, besteht für Ihr Haus leider kein Anspruch auf lärmtechnische Schutzmaßnahmen.“

Ein drei Jahre altes Gutachten der Stadtverwaltung bescheinigt den Fröhlichs einen Lärmpegel von 75,5 Dezibel am Tag und 66,7 Dezibel in der Nacht. Das Haus liegt in einem Mischgebiet – die zulässige Höchstbelastung liegt dort laut Verwaltung am Tag bei 64 Dezibel und in den Nachtstunden bei 54 Dezibel. Pikanterweise kommt das Land in einer Ende 2008 abgeschlossenen Expertise zu einem anderen Ergebnis. In der Antwort an die Linke-Landtagsabgeordnete Anita Tack, datiert im Juni 2009, heißt es, „dass die maßgeblichen Immissionsgrenzwerte ... nicht erreicht werden. Daher bestehen keine Ansprüche auf Maßnahmen der Lärmsanierung“. Welcher Lärmpegel konkret gemessen wurde, geht aus dem Schreiben nicht hervor.

Inzwischen sind die Fröhlichs kurz davor zu resignieren. „Wenn wir keine Lärmschutzwand bekommen können, müssen wir das Grundstück verkaufen.“ Das hätten sie vor zwei Jahren auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) bei einem Besuch erzählt, sagt das Ehepaar. Jakobs habe Hilfe beim Verkauf des Grundstücks versprochen. Was ihrer Schilderung nach dann passiert ist, empfinden beide als Frechheit. Die Stadt habe „mündlich“ erklärt, der Betreiber einer benachbarten Autowaschanlage habe Interesse an dem Grundstück und sei bereit, das Haus „kostenlos abzureißen“. Eine Woche später habe die Verwaltung dann mitgeteilt, der potenzielle Käufer habe das Interesse verloren. „Seitdem haben wir von der Stadt nichts mehr gehört“, sagt Rüdiger Fröhlich. Nur über die Antwort auf eine Presseanfrage. Und die brachte die Fröhlichs vollends auf die Palme. Die Stadtverwaltung teilte darin mit, man habe „versucht“, den Fröhlichs beim Verkauf des Hauses zu helfen. „Leider lehnte die Familie das Gespräch mit einem potenziellen Interessenten ab, da sie nicht mehr verkaufen wollte.“

„Wir fühlen uns von der Stadt im Stich gelassen“, sagt Ingrid Fröhlich verbittert. Alle versteckten sich hinter Paragraphen. „Menschenunwürdig“ sei das. Hoffnung gibt es vielleicht durch den Lärmaktionsplan. Nach dessen Beschluss durch die Stadtverordneten könnten sich neue Fördermöglichkeiten zum Lärmschutz auftun. Doch das Papier ist noch in Arbeit. Auch die Linke hat noch einmal Fahrt aufgenommen. Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg legte gestern einen Antrag für die Stadtverordnetenversammlung vor. Danach soll die Stadt beim Land auf Lärmschutz für die betroffenen Anwohner zu drängen. Im Januar 2010 soll der Bauausschuss über die Ergebnisse informiert werden.

Und oberhalb des Heims der Fröhlichs braust weiter der Verkehr.

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