Landeshauptstadt: Wenn der Makler zu oft klingelt Call-Center wehrt sich gegen schwarze Schafe
Zentrum-Ost - Folgender Dialog findet so oder ähnlich mit Vorliebe am Abend oder am Sonntagnachmittag statt. Das Telefon klingelt, eine freundliche Stimme erklärt, dass der Angerufene 100 000 Euro oder gern auch einen Mittelklassewagen gewonnen hat.
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Zentrum-Ost - Folgender Dialog findet so oder ähnlich mit Vorliebe am Abend oder am Sonntagnachmittag statt. Das Telefon klingelt, eine freundliche Stimme erklärt, dass der Angerufene 100 000 Euro oder gern auch einen Mittelklassewagen gewonnen hat. Oder eine männlich markante Stimme fragt, ob dem Angerufenen klar ist, dass er jährlich über 1000 Euro zum Fenster rauswerfe? Aber es könne mit fantastischen Anlageformen geholfen werden. Der Angerufene reagiert richtig, wenn er genervt reagiert: „Belästigen Sie nicht die Leute am Telefon und suchen Sie sich einen anständigen Beruf.“
Einen anständigen Beruf? In der Tat ist das Image des Call-Center-Mitarbeiters oder gar des „Kaufmanns für Dialog-Marketing“ in Verruf geraten. Um den angeschlagenen Ruf aufzubessern und Vorurteile auszuräumen lud Harry Wassermann, Vorstandsvorsitzender der SNT Deutschland AG, gestern Vertreter von Politik, Wirtschaft und Medien an den SNT-Standort Potsdam im Zentrum-Ost. „Ich will meine Mitarbeiter schützen vor dem Image, in einer halbseidenen Branche zu arbeiten“, erklärte Wassermann. Kundenservice zu machen sei ein ernst zu nehmender Beruf. Es sei nicht die Aufgabe eines SNT-Mitarbeiters, die Leute zu Hause anzurufen und ihnen zu sagen, sie hätten in der Lotterie gewonnen. Vielmehr stelle SNT Potsdam etwa das weltweite Kundenzentrum des Klingelton-Anbieters Jamba dar. Bei dem größten privaten Arbeitgeber in der brandenburgischen Landeshauptstadt werden laut Wassermann 19 Sprachen für 21 Länder gesprochen. Zu den weiteren Auftraggebern von SNT gehörten mehrere Telefon- und Internetanbieter. Es seien die SNT-Mitarbeiter, die von Kunden angerufen würden, nicht umgekehrt. „Ich komme nicht ins Internet“ – ein häufiges Problem, bei dessen Beseitigung die SNTler dann behilflich sind, so der Vorstands-Chef.
„Wir müssen die schwarzen Schafe bekämpfen“, erklärte die Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner (CDU). Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verbiete belästigende Telefonanrufe. „Wer sich nicht auf dem Weg des Rechts befindet, kann mir nicht mit Arbeitsplätzen kommen“ sagte sie strikt. Selbst Wirtschaftsliberale hätten keine Lust, am Abend zehn mal angerufen zu werden. „Wir müssen die Verbraucher schützen“, so die Abgeordnete. Wassermann pflichtete bei: „Wir wollen die finden, die uns das Image kaputt machen. Wir wollen sie isolieren.“
SNT hat nach Angaben Wassermanns in Deutschland acht Standorte mit 4000 Mitarbeitern und 2400 Arbeitsplätzen. Der Umsatz betrug im vergangenen Jahr 165,8 Millionen Euro. Am Potsdamer Standort in der Edisonallee arbeiteten derzeit 1400 Mitarbeiter, davon nur 130 in Teilzeit. „Wir stellen Vollzeitkräfte ein. Das ist dann deren Hauptberuf“, so der SNT-Chef. Wie er ankündigte, werde die Potsdamer Mitarbeiterschaft in diesem Jahr auf 1800 Beschäftigte steigen. „Die Geschichte hier ist nicht zu Ende und ich wüsste nicht, warum ich sie stoppen sollte“, erklärte Wassermann: „Es geht weiter“. Dialog-Marketing sei eine „Wahnsinn-Wachstumsbranche“.
Ob er Probleme habe, Fachkräfte zu finden, erkundigte sich Brandenburgs Wirtschafts-Staatssekretär Wolfgang Krüger (CDU) bei Wassermann. Dieser verneinte. In Essen spüre er, dass er Probleme habe, die richtigen Leute zu bekommen: „Das ist hier nicht so.“ Durch die Nähe Berlins habe SNT in Potsdam keine Probleme, beispielsweise qualifizierte Muttersprachler anzustellen. Zudem fänden sich in Potsdam gute Arbeitskräfte für eine Ausrichtung nach Osteuropa. Guido Berg
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