zum Hauptinhalt

Homepage: Wenn die Nervenzellen gleichzeitig funken

Die Sommerschule des „Helmholtz Institute for Supercomputational Physics“ sucht nach den Ursachen für epileptische Anfälle

Stand:

Die Sommerschule des „Helmholtz Institute for Supercomputational Physics“ sucht nach den Ursachen für epileptische Anfälle Das menschliche Gehirn besteht aus Milliarden einzelner Nervenzellen, die miteinander kommunizieren. Wenn plötzlich ein Teil von ihnen gleichzeitig funkt, entstehen epileptische Anfälle. Wie das genau geschieht, ist Medizinern und Biologen bisher ein Rätsel. Nun wollen ausgerechnet die Physiker der Lösung des Rätsels auf die Spur kommen: Mit Mathematik und der geballten Rechner-Power der Potsdamer Forschungsinstitute. Das Ganze findet im Rahmen der Sommerschule des „Helmholtz Institute for Supercomputational Physics“ noch bis zum 30. September statt. Wie in jedem Jahr, haben die Potsdamer Physiker auch in diesem Jahr ihre mathematischen Fähigkeiten in der Berechnung von Netzwerken zu Grunde gelegt. Die Supercomputer der Uni Potsdam, des AIP, des PIK und einiger anderer Forschungseinrichtungen werden zusammengekoppelt, um komplexe Berechnungen zu ermöglichen. In diesem Jahr lautet das Thema: Complex Networks in Brain Dynamics. Das Gehirn soll also simuliert werden. „Da haben wir uns ein Problem gestellt, das eines der kompliziertesten ist“, gibt Marco Thiel (31), einer der Organisatoren des vierwöchigen Kurses zu. Entsprechend wurden führende Biologen und Mediziner als Lehrkräfte angeworben. Die Schüler kommen ebenfalls aus aller Welt. 34 sind es aus 19 verschiedenen Ländern von Brasilien bis Indonesien. Mediziner sind ebenso darunter, wie Biologen und Informatiker. 120 Studenten hatten sich beworben. „Wir konnten uns die besten aussuchen“, freut sich Marco Thiel. Morgens gibt es Vorlesungen, um Einblick in die anderen Wissenschaftsdisziplinen zu bekommen. Nachmittags stürzt sich dann alles auf die Rechner. „Jeder Computer simuliert einen Teil des Gehirns“, erläutert Thiel. Für verschiedene Funktionen müssen die einzelnen Teilbereiche miteinander kommunizieren. Wie sie das machen und was dabei mit den 1011 Nervenzellen im Gehirn geschieht – das wollen die Potsdamer Forscher beobachten und daraus Regeln ableiten. Die Mathematik, die dahinter steht, ist immer die gleiche, egal ob im Internet, bei der Erforschung von AIDS oder komplexen Infrastrukturen. Thiel verweist auf das Phänomen der Glühwürmchen, das in Südostasien auftritt. Tausende einzelner Tierchen hocken in den Bäumen und glühen immer wieder kurz auf. Nach kurzer Zeit synchronisieren sich die einzelnen Tierchen und blinken plötzlich alle gleichzeitig. Das gleiche passiert mit den Nervenzellen im Gehirn. Wenn sie plötzlich gleichzeitig funken, entsteht ein epileptischer Anfall. Die Ursachen dafür zu erforschen, ist langfristiges Ziel der Sommerschule. Das wird allerdings kaum in vier Wochen gelingen. Deshalb geht es zunächst einmal darum, zu verstehen, wie Wahrnehmung funktioniert und welche Zellen dabei zusammenarbeiten. „Das Gehirn macht sehr komische Sachen“, sagt Thiel. „Wir bringen den Schülern bei, Programme zu entwerfen, die solche Vorgänge simulieren können. So können wir unser Wissen weitergeben.“ Solche Simulationen mit der entsprechenden Rechnerkapazität sind einmalig in der Forschung. Allein die Rechnerzeit könnte sich ein Forscherteam normalerweise nicht leisten. Ein Vorteil der Universität Potsdam, deren Sommerschule sich längst einen internationalen Ruf erworben hat. Und die Potsdamer Physiker können so jedes Jahr andere Forschungskollegen mit ihren mathematischen Ideen anstecken. Klimaforscher und Planetensucher haben sich von den Potsdamern schon inspirieren lassen, vielleicht ja auch die Hirnforscher. Bodo Baumert

Bodo Baumert

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })