
© Manfred Thomas
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Die Regisseurin Dan Tang ist Absolventin der Potsdamer HFF. Ihr Film „i phone you“ läuft jetzt in den Kinos
Stand:
Es gibt einen Moment in Dan Tangs aktuellem Kinofilm „i phone you“, in dem die ganze Grausamkeit von modernen Beziehungen sichtbar wird: Die junge und wunderschöne Chinesin Ling hat ihre gesamten Ersparnisse für ein Flugticket von Chongqing nach Berlin ausgegeben. Sie möchte ihren Freund Yu überraschen. Monatelang hat er ihr übers iPhone Liebesbotschaften geschickt, sie zu allen Tag- und Nachtzeiten angerufen. Nur jetzt, als sie in seiner Stadt ist und ihn unbedingt sehen will, hat er sein Telefon zum ersten Mal ausgemacht: „Der gewünschte Teilnehmer ist im Moment nicht erreichbar“, tönt es abweisend aus dem Lautsprecher, fast wie eine Beleidigung.
„So ist das mit diesen Liebesbeziehungen. Da ist immer eine Abhängigkeit“, sagt Dan Tang und verschwindet fast in ihrem Stuhl hinter ihrer Tasse in einem kleinen Restaurant in Berlin Zehlendorf. Es ist „ihr Café“, hier kann sie kommen und gehen, wann sie will, manchmal kellnere sie hier auch. Die körperliche Arbeit lenke sie von zu vielen Gedanken ab.
Dan Tang ist gerade von einem Dreh aus China zurückgekommen, um „i phone you“ in Deutschland zu bewerben. Danach wird sie ihn auch in China präsentieren. Auf die Reaktionen des chinesischen Publikums ist sie sehr gespannt. Noch haben weder ihre Mutter noch ihr Bruder „i phone you“ gesehen.
Die 35-Jährige lebt seit dreizehn Jahren in Deutschland. Sie ist, wie ihre Hauptfigur Ling, in Chongqing, der größten Metropole Chinas, geboren. Als Dan Tang nach Deutschland ging, dachte sie noch gar nicht daran, Regie in Potsdam und Berlin zu studieren. Sie hatte seit ihrem vierzehnten Lebensjahr Ölmalerei studiert. Mit 21 Jahren wurde sie Absolventin der Kunsthochschule Kassel. Aber auf einmal wollte sie keine Künstlerin mehr sein, sondern etwas „Stinknormales“ machen, mit ganz normalen Leuten.
Also studierte Dan Tang Design in Düsseldorf und arbeitete nebenbei als Produktionsassistentin. Die Filmleute dort fand sie zwar nicht besonders spannend, erzählt Dan Tang. Aber, dachte sie sich damals, wenn die Filme machen könnten, dann könne sie das sicher auch. Und so schickte sie ihre Bewerbung an die Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen (HFF).
Das Drehbuch zu „i phone you“ hat sie zusammen mit Wolfgang Kohlhaase entworfen. „Wenn wir keine Ideen hatten, dann haben wir schon morgens um zehn Portwein getrunken“, sagt Dan Tang. Sie erinnert sich gerne an diesen Sommer. Seitdem sich Wolfgang Kohlhaase und Dan Tang 2006 in Potsdam an der HFF getroffen haben, seien sie gute Freunde geworden. Man sei sich sofort sympathisch gewesen und hätte sich oft getroffen, um über das Leben und Dan Tangs Arbeit zu sprechen. Irgendwann wurde dann die Idee zu „i phone you“ geboren. Und als es damit nicht vorwärts ging und Dan Tang schon keine Lust mehr hatte, hat Wolfgang Kohlhaase das Drehbuch geschrieben. „Und plötzlich wollten den Film alle haben“, schmunzelt Dan Tang.
Ihr Film profitiert von vielen Erfahrungen, die Dan Tang selbst als Chinesin in Berlin gemacht hat. Ob sie selber auch mal so eine „iPhone-Beziehung“ geführt habe? Klar, sagt sie und lacht im Nachhinein gerne über ihre eigenen Erfahrungen. Jeder kenne diese Situationen. Zum Beispiel wenn man jemanden unbedingt erreichen möchte, 50 Mal um Mitternacht anrufe und nicht durchkomme. „Dann fühlt man sich so beleidigt, aber man kann sich nicht ausdrücken. Das ist so modern – und so verletzend“. Es sei eine ungeschriebene Regel, sagt Dan Tang, dass man sich ebenfalls distanzieren solle, wenn der andere das tut. Man wisse schon, dass man sonst möglicherweise eine unangenehme Wahrheit entdecken wird. Das musste sie selbst erfahren. Und so ergeht es auch Ling in „i phone you“. Aber sie lässt sich nicht so einfach entmutigen. Ling ist eine selbstbewusste junge Chinesin. Sie stehe für eine Generation in China, sagt Dan Tang, die nach den 80er Jahren geboren sei und sich vor allem mit sich selbst beschäftige. Für ihre Filmfigur Ling sei es keine große Sache, nach Berlin zu kommen, sie sei im Internet Zuhause, kenne die westliche Kultur aus den Medien. Sie packt einfach ihre Tasche und fliegt los. Dan Tang hat vor 13 Jahren noch monatelang recherchiert, bevor sie das erste Mal nach Deutschland geflogen ist.
Seitdem der Film in den Kinos angelaufen ist, sitzt Dan Tang öfters in den Zuschauersälen und beobachtet die Reaktionen des Publikums. Was sie sieht, macht sie sehr zufrieden. „Die Leute lachen und seufzen. Genauso habe ich mir das gewünscht“, sagt sie. In einem Punkt ist Dan Tang jedoch uneins mit ihrem deutschen Publikum. Viele hätten ihr gesagt, dass sie es so schrecklich fänden, was Ling mit den Beamten vom Ordnungsamt passiert, als sie ohne Pass im Park aufgesammelt wird. Darüber amüsiert sich Dan Tang sehr. Ihr sei das selbst schon passiert, aber sie fände es „total nett“, dass Ling von der Polizei einen Schlafplatz und etwas zu essen bekommt. „Ich denke, wenn einem das Gleiche in Indien, Marokko oder China passiert, dann wird es viel schockierender.“ Als Chinesin sieht man gewisse Dinge eben anders.
, ine Zimmer
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