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Landeshauptstadt: Wenn Kulka von Knobelsdorff träumt

Ein Rundgang durch den Rohbau des Landtagsschlosses offenbart den schwierigen Spagat zwischen Moderne und Historie

Von Peer Straube

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Innenstadt - Mag noch Beton den Sandstein dominieren, mag der Innenhof auch kleiner sein als der originale des alten Stadtschlosses – Dimension und Wirkung des neuen Landtags sind schon im Rohbau beeindruckend. Wohl für jeden der rund 80 Pressevertreter, die am Donnerstagnachmittag den ersten Blick ins Innenleben der Schlossbaustelle werfen durften, war spürbar, dass auf Potsdams Altem Markt etwas Besonderes entsteht. Zum ersten Mal ist er wieder möglich, der alte Blick aus dem Schlosshof durch das Fortunaportal zur Nikolaikirche, auch wenn die historische Sandsteinfassade noch fehlt.

2500 Kubikmeter Beton lassen den Knobelsdorff in seinen Grundzügen bereits erahnen. Und Landtagsarchitekt Peter Kulka zementierte den Eindruck, hier werde gebaut, was auch hierhin gehört: „Es gibt Orte, die so bestimmt durch ihre Geschichte sind, dass man an diesem Unort an diese Geschichte wieder erinnert werden darf“, sagte er in Anspielung auf die Jahrzehnte währende Ödnis an dieser Stelle. Dass der Streit um die Wiedergewinnung historischer Details wie der Schlossfenster nicht spurlos an ihm vorüber gegangen ist, daran ließ Kulka keinen Zweifel. „Wir versuchen, das Beste aus dieser Schizophrenie zu machen, die da heißt: außen historisch und innen modern.“

Dieser Spagat ist bereits an mehreren Stellen gut sichtbar. Im Innenhof haben die Betonwände zum Teil bereits eine Verkleidung mit Ziegeln, die am Ende mit der Sandsteinfassade verblendet werden. „Sie sehen hier einen Rohling“, so Kulka, „wir bauen das Parlament quasi zweimal.“ Im Innern dieses Rohlings dominieren noch nackte Betonwände. Über vier Geschosse zieht sich das Gebäude nach oben, eines mehr als das alte Schloss. 390 Büros entstehen dort für die Landtagsabgeordneten, 435 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche sind es insgesamt. Mit 4,05 Metern haben die Etagen die historische Höhe, von den oberen Geschossen des der Havel zugewandten Flügels fällt der Blick bereits auf die Tiefgarageneinfahrt. 166 Stellplätze sollen dort untergebracht werden.

Vom Plenarsaal ist noch nicht viel zu sehen. Ein Wald aus Gerüststangen verdeckt den Blick auf das Rund, in dem Brandenburgs Landtagsabgeordnete ab Herbst 2013 tagen sollen. Der Plenarsaal stehe, „wo einst der Festsaal Friedrichs II. war“, sagte Kulka und entdeckte darin eine Verbindung zwischen Historie und Moderne. „Wir werden jede Landtagssitzung zu einem Fest machen“, witzelte Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD). Kulka zeigte sich abermals genervt von den Diskussionen um den Grad der Originaltreue der Fenster. Sie müssten Gläser von enormer Dicke und Last aufnehmen „und da diskutieren wir über ein oder zwei Zentimeter Abweichung von den Sprossen“, ereiferte sich der Architekt. Knobelsdorff müsse mit den Anforderungen an den Schallschutz und an die Sicherheit eines modernen Landtags gebracht werden, sagte er. „Wir überlegen immer, was Knobelsdorff gemacht hätte“, versicherte Kulka und machte einen Ausflug ins Lyrische: „Da aber ein Toter nicht mehr antworten kann, muss ein Lebender träumen.“

Das Treppenhaus des großen Baumeisters wird später in Zitaten zu erahnen sein: Die Pilaster werden wieder aufgestellt – so wie sie erhalten sind, als Fragmente und Torsi zumeist. Jenes Treppenhaus soll es auch sein, an dem sich der Übergang von der Historie zur Moderne spürbar vollzieht. Von dort gelangt man zur großen öffentlichen Lobby mit viel Glas, durch das Tageslicht hereinfällt. Wechselnde Ausstellungen stellt sich der Architekt hier vor und Begegnungen zwischen Parlamentariern, Bürgern und Schulklassen. Von hier aus gelangt man zur Pressetribüne für die Berichterstattung von den Landtagssitzungen. Sollten sich die Parlamentarier einmal langweilen, können sie von dort „hinausschauen auf die Havellandschaft“, sagte Kulka.

An der havelseitigen Fassade hat das Bauunternehmen BAM bereits erste Sandsteinverkleidungen angebracht: Harten Postaer Sandstein für den Sockel, mittelharten Reinhardtsdorfer für Fenstergesimse, Säulen und Pilaster und den weichen aus Cotta für die Bildhauerarbeiten. Doch der neue Sandstein bekommt Gesellschaft vom Original. Alles, was vom Schloss noch erhalten ist, wird in die Fassade eingebaut, versicherte Kulka. Gemeinsam mit der städtischen Denkmalpflege und der Schlösserstiftung sei das vorhandene Material gesichtet worden, es werde konserviert und am originalen Platz wieder eingebaut. Neue Steine neben „verletzten“ werden dem Bau das gesprenkelte Aussehen der Dresdener Frauenkirche verleihen, versprach Kulka.

Dass das Dach nun aus Kupfer statt aus Titanzink bestehen wird, freut den Architekten. Ohne die Spende von Software-Milliardär Hasso Plattner wäre dies nicht möglich gewesen, sagte er. Auch, wenn die Potsdamer „25 Jahre warten müssen, bevor sich die grüne Patina zeigt“: Kupfer, so Kulka, sei ein wunderbares Material – „und es steht dem Bau“.

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