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Landeshauptstadt: Wenn Liebe zum Wahn wird

Opferberatungsstelle Potsdam registriert Anstieg von Stalking in der Landeshauptstadt

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Unzählige Anrufe täglich, meist zu unmöglichen Zeiten, SMSe, Mails, Briefe – immer wieder Beleidigungen, Vorwürfe gepaart mit Liebesschwüren und Kosenamen: Stalking hat Konjunktur. Rosmarie Priet, Diplom-Psychologin in der Opferberatung Potsdam, registriert einen Anstieg von Fällen. Während in den vergangenen Jahren unter den insgesamt jährlich rund hundert Ratsuchenden etwa zehn Stalkingopfer waren, suchten bereits im ersten Quartal 2006 fünf vom Ex-Partner Terrorisierte Hilfe. „Und ich habe den Eindruck, das wird mehr“, sagt die Opferberaterin.

In rund 50 Prozent der Fälle seien die Ex-Partner Täter, aber auch verärgerte Nachbarn oder von Rache getriebene Patienten, Mandanten und Kunden könnten einen Nervenkrieg anzetteln, hat der Stalking-Forscher Dr. Jens Hoffmann eruiert. Das sei auch ihre Erfahrung, bestätigt Rosmarie Priet. Allerdings sei bei ihr auch schon ein Stalker in die Beratung gekommen, der sich selbst als Opfer sah.

Diese Menschen seien nicht zwangsläufig psychisch krank, diagnostiziert die Psychologin, sondern meist von narzisstischer Kränkung getrieben. Ein Beispiel: Ein junger Mann, dessen Freundin sich von ihm getrennt hatte, spionierte der Ex wochenlang nach. Er glaubte, dass ein neuer Geliebter der Grund für die Trennung sei und wollte sie in flagranti erwischen. Er sei sogar mitten in der Nacht aufgestanden und zu ihrer Wohnung geradelt, um sich davon zu überzeugen, dass sie alleine war. Erst dann habe er beruhigt schlafen können.

Nicht selten nehme der Psychoterror aber auch gewaltige Formen an. Dann bleibe es nicht bei Bedrohungen und Sachbeschädigungen wie das Zerstechen von Autoreifen; es käme auch zu tätlichen Angriffen. Darum unterscheide sich auch die Beratung von Stalkingopfern von der anderer Opfer, erklärt Priet. Während Gewaltbetroffene wieder lernen müssen, Sicherheit zu gewinnen, sind Stalking-Opfer noch in Gefahr. Darum sei es wichtig, den Stalkertyp genau zu klassifizieren. Nur so könne man die möglichen Reaktionen des Täters einschätzen und dem Ratsuchenden passgenaue Verhaltensmuster an die Hand geben, erklärt die Psychologin. Die Opferhilfe Land Brandenburg e.V., Träger der Beratungsstelle in der Jägerstraße 36 und weiterer fünf Stellen im Land, hat als Hilfestellung einen Merkzettel erarbeitet. Danach sollten die Opfer dem Stalker unmissverständlich mitteilen, dass sie keinen Kontakt mehr wünschten. „Bekommt man einen Anruf, muss man wortlos auflegen. Briefe und Kurznachrichten müssen unbeantwortet bleiben“, sagt Rosmarie Priet. Der verschmähte Geliebte wolle ja den Kontakt und da reiche schon ein Satz, eine winzige Reaktion, an die er sich klammere. Auch das Umfeld sollte über das Stalking in Kenntnis gesetzt werden. Der Stalker sammle nämlich Informationen über sein Opfer, das gelte als Machtgewinn. „Das sind sehr kreative Menschen, die ihre Recherche immer weiter perfektionieren“, schildert die Beraterin die Vorgehensweise.

Laut Stalkingspezialist Hoffmann dauere Stalking im Schnitt zwischen 23 und 28 Monaten. Manchmal lägen lange Pausen zwischen den Kontaktaufnahmen. Der oder die Betroffenen wähne sich zunehmend in Sicherheit, glaubt, der Psychoterror habe ein Ende. So auch eine Klientin von Rosmarie Priet. Die Frau änderte die Telefonnummer, zog weg, keine Nachricht von ihrem geschiedenen Mann – wochenlang. Bis sie eines Tages aus dem Küchenfenster schaute: Auf dem Balkon der Wohnung von Gegenüber stand ihr Ex.

Opfer von Stalking können sich an die Opferberatungsstelle Potsdam, Jägerstraße 36 Tel.: (0331) 280 27 25 wenden.

Nicola Klusemann

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