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Homepage: Wenn Pop Geschichte wird Das ZZF hat über Pophistorie diskutiert
Der Schriftsteller und DJ Thomas Meinecke spricht von der Referenzhölle, der Poptheoretiker Simon Reynolds nennt es Retromania. Popmusik, scheint es, ist in einer Endlosschleife der eigenen Wiederholung angekommen.
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Der Schriftsteller und DJ Thomas Meinecke spricht von der Referenzhölle, der Poptheoretiker Simon Reynolds nennt es Retromania. Popmusik, scheint es, ist in einer Endlosschleife der eigenen Wiederholung angekommen. Die Popgeschichte wird längst nicht mehr in aufeinanderfolgenden Revivals recycelt, alles ist gleichzeitig da und wird munter zitiert, collagiert und kopiert. Ist das das Ende der Popmusik oder ist die Nadel einfach nur hängengeblieben – wie auf einer zu oft abgespielten Vinylplatte? Geht es weiter oder sind wir in der Auslaufrille angekommen?
Wenn Popmusik nicht mehr einfach nur Gegenwart ist, sondern primär zitierfähige Vergangenheit, dann wird es Zeit, sich diese Vergangenheit einmal genauer anzusehen. Dazu lud das Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) zusammen mit dem Arbeitskreis Popgeschichte in die Berliner Volksbühne. Bevor am Samstagagabend getanzt und ganz retromäßig musiziert wurde, diskutierten drei Tage lang Historiker über Sinn und Nutzen einer Popgeschichtsschreibung.
Eine der Gefahren eines solchen identitätsstiftenden Sujets, wie es die Popmusik ist, ist die Involviertheit. Man muss nicht Musiker sein, um Teil von ihr zu sein. Denn Popmusik ist, wie Diedrich Diederichsen in der außerordentlich gut besuchten Podiumsdiskussion anmerkte, gar keine Musik. Sie basiert nämlich selten auf Noten, sondern auf Recordings, die wiederum in Räumen gehört werden können, die üblicherweise keine Musikräume sind. Im Schlafzimmer zum Beispiel.
Popmusik ist zum Sozialisationsmotor im 20. Jahrhundert geworden, zur „Subjektivierungsressource“, so Alexa Geisthövel, eine der Organisatorinnen. Als Abgrenzungsmodus von den Eltern oder Großeltern eignet sie sich allerdings nur noch bedingt, wenn die Alten mit den Stones radikal und mit Bob Dylan klug wurden und selbst die Eltern ihre Jugend auf der Loveparade feierten. Wie Popmusik als Medium der Jugendrevolte fungierte, beschrieb Klaus Theweleit, beinah 70, in seinem Eröffnungsvortrag, den er als Auslese seines reichhaltigen Zettelkastens aus biografischen und subjektiven Impulsen hielt.
Auch wenn Mitte der 50er Jahre die Gitarren plötzlich laut, der Rhythmus rasant schnell und die Texte wütend und unanständig wurden und dann Mitte der 70er Punk mit Lautstärke und Drohgebärden zu provozieren suchte, lässt sich Popmusik nicht einfach als andauernde Revolution beschreiben. Denn ihre Geschichte ist auch die des Kommerzes, der Vereinnahmung und des Konsums. Das an einigen exemplarischen Beispielen nachgewiesene Potenzial der Popmusik zur Politisierung breiter Massen ist eben nur das: ein Potenzial. Konsum und Politik sind im Pop keine Gegensätze.
Um so wichtiger ist der genaue Blick, die eingehende Analyse. Popmusikgeschichte lässt sich nicht schreiben, wenn sie nicht auch als Wirtschaftsgeschichte geschrieben wird. Denn schließlich wird, global gesehen, nur mit Rüstungsgütern noch mehr verdient als mit Unterhaltungsmusik. Von den Produktionsbedingungen war jedoch auf der Konferenz kaum die Rede. Als zentral erwies sich die Frage, ob Popgeschichte schreiben heißt, eine Geschichte des Pop zu schreiben, oder ob mit der Perspektive auf Popmusik die Zeitgeschichte ein hilfreiches Konzept an die Hand bekommen soll.
Lene Zade
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