zum Hauptinhalt

Von Thomas Gantz: Wer ernten will, muss auch gießen

Gedanken zur Hinrundenbilanz des Handball-Zweitligisten 1. VfL Potsdam

Stand:

Was ein Mythos ist, erklärt sich schnell. Er ist eine Begebenheit oder Geschichte, die beliebig oft neu vorgetragen oder nachgespielt werden kann, ohne an Wirkung und Kraft zu verlieren. Ein Mythos ist wahrhaftig und trotzt der Zeit. Und er hält auch Abänderungen und Umdeutungen aus.

Innerhalb der vergangenen zwei Jahre hat der jetzige Handball-Zweitligist 1. VfL Potsdam vor heimischem Publikum lediglich ein Meisterschaftsspiel verloren. Qualität und Charakter der Mannschaft garantierten stets aufs Neue den Erfolg. Mag eine Mythenbildung im Zusammenhang mit Potsdams bestem Handballteam auch etwas konstruiert erscheinen – die Zwischenbilanz des Aufsteigers nimmt sich mit 19:13 Punkten bemerkenswert aus. Sie ist jedoch auch eine temporäre Erscheinung, von der sich erst noch zeigen muss, wohin konkret sie den Verein mittelfristig führen wird. Der Modus, mit dem sich sämtliche Handball-Zweitligisten zur kommenden Saison konfrontiert sehen, lässt Raum für Zweifel, ob der aktuelle Tabellensechste der 2. Bundesliga Nord sein sportliches Niveau hält und am Ende der Spielzeit 2010/2011 zumindest Achter wird, um sich für die neue eingleisige Zweite Liga zu qualifizieren. Hintergrund für diese Wertung ist die strukturelle Begleitung oder besser Nichtbegleitung der Bundesligaspieler durch den Verein.

Nach wie vor bleibt unerklärlich, warum der VfL Potsdam sein Lizenzteam im vergangenen Sommer nicht in eine Spielbetriebs-GmbH ausgelagert hat und sich stattdessen für ein Konstrukt mit dem Berliner Versicherungsvertreter und Spielervermittler Uwe Janke als Teammanager entschied. Janke selbst hat nur begrenzte Kompetenzen und ist vom Prozess der Geldbeschaffung weitgehend abgeschnitten. Ein Blick auf seine Vergangenheit als Handballfunktionär würde schnell verdeutlichen, warum das so ist. Frühere Engagements Jankes in Cottbus, Rostock und Ludwigsfelde scheiterten unter unerfreulichen Begleitumständen.

Für den VfL tut sich, was den wirtschaftlichen Aspekt betrifft, bereits jetzt ein Minenfeld auf. Die Öffentlichkeitsarbeit liegt weitgehend brach. Die Spieler selbst haben es mittlerweile aufgegeben, darauf aufmerksam zu machen, dass man auch einmal an drei, vier zentralen Stellen der Landeshauptstadt plakatieren müsste, um zu jedem Heimspiel eine volle Halle zu haben. Die Vielfalt des Potsdamer Sportangebots bedingt geradezu, einen bedeutenden Teil des Budgets über die Tageskasse einspielen zu müssen. Wer also im übertragenen Sinne ernten will, muss erst einmal gießen.

Sehr bedenklich stimmt die Tatsache, dass der VfL die für die insgesamt fünf im Oktober erspielten Siege fälligen Prämien erst mit mehrwöchiger Verspätung auszahlte. Andererseits wollte der Verein die Bundesliga-Spieler mit 25 Euro an der Finanzierung der am Freitag stattfindenden Weihnachtsfeier beteiligen. Offener Widerstand dagegen ist inzwischen kanalisiert worden. Zitiert werden mag kaum ein Spieler, wenn es darum geht, Problembereiche offen zu benennen. Diese Tendenz ist seit Anfang der Saison verstärkt zu beobachten und sagt viel über die Umgangskultur einiger VfL-Verantwortlicher. Dass die Truppe in diesem Binnenklima erfolgreich Handball spielt, ist außergewöhnlich und taugt eigentlich auch schon wieder zum Mythos.

Thomas Gantz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })