Links und rechts der Langen Brücke: Wer mag Zensor sein?
Guido Berg ruft anlässlich jüngerer Architekturdebatten um die Potsdamer Mitte zur schnellen Einberufung eines Gestaltungsbeirates auf
Stand:
Das muss ja nicht sein. Dass Investoren und Architekten die Entwürfe um die Ohren fliegen, sobald sie etwas für die Potsdamer Mitte planen. Die momentane Situation ist fatal: Es gibt kein Neubau-Projekt für die Mitte, dass bislang nicht den Tod in der Öffentlichkeit starb – wenn häufig auch zu Recht. Erinnert sei an die einstige Vorstellung der Landesregierung, das Landtags- Stadtschloss könnte ohne die Rekonstruktion der Knobelsdorff-Fassade gebaut werden. Wie immer das Land auf die Idee kam – ein hochkarätig besetzter Gestaltungsbeirat hätte vor dem Debakel warnen können, aus dem erst die Millionen-Spende Hasso Plattners herausführte. Erst auf Antrag der Stadtverordneten ist die Stadtverwaltung nun dabei, die Möglichkeit der Einberufung eines Gestaltungsbeirates zu prüfen. Derweil müssen die Investoren in der Mitte weiter fürchten, dass umkommt, wer sich von ihnen mit seinen Architekturvorschlägen vor das Potsdamer Publikum wagt. Jüngstes Opfer ist ausgerechnet die stadteigene Pro Potsdam GmbH, die ein Fiasko erlebt mit ihrem Ersatzbau für das in Kürze fallende neungeschossige „Haus des Reisens“ – sehr zu Recht im Übrigen. Der Pro Potsdam-Entwurf war derart ambitions- und ideenlos, dass einem das Verwertungsinteresse förmlich in die Augen sprang. Nun wird sich ein extra einzuberufendes Expertengremium mit dem Fall beschäftigen – aber wäre es nicht schön und auch im Interesse von Pro Potsdam gewesen, wenn es einen Gestaltungsbeirat schon gegeben hätte? Denn das kann ja nicht sein, dass nun jedes Bauvorhaben für sich den harten Weg der öffentlichen Häme geht, ohne wenigstens Rückhalt und Beratung von Sachkundigen zu haben. Zuletzt war es der Architekt Reiner Becker, dessen Entwurf vor der Bürgerinitiative Mitteschön nicht bestehen konnte. Unter der Regie Reiner Beckers wird das Alte Rathaus zum neuen Potsdam-Museum umgebaut. Dem Verbindungsbau zwischen Rathaus und Knobelsdorff-Gebäude verpasste er eine hochmoderne Glasfassade, was in Potsdam ausgesprochen gewagt ist. Aber ist es deshalb auch gleich schlecht? Wer will das sagen? Wir reden, wenn wir über Architektur reden, über künstlerische Ausdrucksformen. Wer mag da Zensor sein? Jeder muss sagen dürfen, was ihm ge- oder missfällt. Aber jeder sollte dabei auch gut beraten sein.
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