Aus dem GERICHTSSAAL: Wer saß wirklich am Steuer?
Gericht: Im Zweifel für den Angeklagten/Freispruch
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Aus dem GERICHTSSAALGericht: Im Zweifel für den Angeklagten/Freispruch „Wie hätten Sie jetzt entschieden?“, fragt Amtsrichterin Waltraud Heep die im Verhandlungssaal anwesende Schulklasse nach dem Urteilsspruch. Die Jugendlichen grinsen verlegen, wollen sich nicht festlegen. Ähnlich erging es der Vorsitzenden. Da gewisse Zweifel an der Schuld des Angeklagten bestehen, sprach sie ihn vor wenigen Minuten auf Kosten der Staatskasse frei. Eine Polizeibeamtin war sich im Zeugenstand allerdings sicher, am 19. September 2004 beim Blick in den Rückspiegel in dem hinter ihr haltenden Auto Karsten K. am Steuer erkannt zu haben. Jener – das wusste sie – hätte gar nicht selbst unterwegs sein dürfen, da ihm die Fahrerlaubnis entzogen wurde. „Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Ich kenne ihn von früher. Auf dem Beifahrersitz saß seine Ehefrau“, so die Beamtin. Zur Sicherheit habe sie in der Führerscheinstelle nachgefragt, ob der Mann vielleicht inzwischen wieder im Besitz des begehrten Papiers wäre. Die Auskunft sei allerdings negativ gewesen. Karsten K.* (34) auf der Anklagebank schüttelt heftig seinen Kopf. „Meine Frau ist gefahren, ehrlich“, beteuert der bereits wegen mehrfachen Fahrens ohne Erlaubnis, Urkundenfälschung sowie Unterschlagung in fünf Fällen Vorbelastete. „Ich werde doch nicht so blöde sein und noch einmal ohne Pappe fahren. Da kriege ich meinen Führerschein ja nie wieder.“ Die Gattin des Angeklagten stützt die Aussage ihres Mannes. Dass sie sich in der Vergangenheit wegen Gestattens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ebenfalls vor Justitia verantworten musste, sei ihr eine Lehre gewesen. „Ich bin hart dafür bestraft worden und würde es nicht noch einmal durchgehen lassen, dass sich Karsten ans Steuer setzt“, betont die Frau. Das Gericht möge ihr glauben, sie habe den Opel an jenem Herbsttag chauffiert. „Nun sind Sie ja in der Tat nicht zu verwechseln“, hält Richterin Heep dagegen. Diesmal nickt der rote Strubbelkopf des Angeklagten. Seine Ehefrau mit kurz geschnittenem schwarzen Haar stimmt zu. Obwohl die Aussage der Polizistin durchaus glaubwürdig erschien, könne sie beim Blick in den Rückspiegel ihres Wagens die Seiten verwechselt haben, gibt die Vorsitzende zu bedenken. Auch die Beteuerung der Ehefrau scheint glaubhaft. Also greift der bekannte Grundsatz „In dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten. (*Name geändert.) Hoga
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