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Landeshauptstadt: „Wer war eigentlich Tschudi?“

Regionalhistoriker Klaus Arlt hat eine Neuauflage seines Potsdamer Straßennamen-Buches vorgelegt

Die Erstausgabe war längst vergriffen, die Nachfrage aber noch groß. Nun liegt sie vor, die zweite Auflage von Klaus Arlts Bestseller: „Die Straßennamen der Stadt Potsdam. Geschichte und Bedeutung“. Der 75-jährige Arlt, promovierter Biologe und seit langer Zeit als Freizeit-Historiker der Straßennamen-Guru in der Landeshauptstadt schlechthin, verdeutlichte gestern in der Buchhandlung „Das Internationale Buch“, dass die Vergabe von Straßennamen zunächst ein Mittel war, das Volk zu disziplinieren: Straßennamen als eine Art Herrschaftsinstrument.

Es ging darum, die Wohnhaft bestimmter Personen genau zu definieren, sei es für die Steuer-Eintreiber oder die Werber für das Militär. Die Bürger aber „wollten die Markierung ihres Wohnortes eigentlich nicht – eine moderne Einstellung“, so Arlt. Erst als 1825 in Berlin der Briefträger erfunden wurde, hatten die Einwohner plötzlich nichts mehr dagegen, eine Adresse mit Straße und Hausnummer zu haben: „Plötzlich war die Sache nützlich.“

Seit 1808 ist der Straßenname eine amtliche Verwaltungssache. Die Obrigkeit erkannte schnell die volkspädagogischen Momente; zur „patriotischen Erziehung“ wurden gern Namen von hochrangigen Angehörigen des Königshauses verwendet. Die erste Straße in Potsdam, die nach einem Bürger benannt wurde, ist die Eisenhartstraße. August Friedrich Eisenhart (1773-1846) war ein großer Geldgeber für soziale Zwecke.

Der Spiegel der Geschichte ist nicht die Benennung einer Straße – sondern deren Umbenennung. War die Weimarer Republik 1919 da noch sehr zurückhaltend, so Arlt, wurden nach 1933 etwa in Neubabelsberg „kernige Namen“ vergeben. So wurde aus der Kaiserstraße die „Straße der SA“, heute Karl-Marx-Straße.

Richtig „in die Kiste gegriffen und unbenannt“ wurde nach 1945 – und dies weit über die Forderungen des alliierten Kontrollrates hinaus, wonach Namen aus der Zeit vor 1914 Bestand haben könnten.

Seit den 1970er Jahren forscht Klaus Arlt bereits zu den Potsdamer Straßennamen. Eine harte Nuss für ihn war die Tschudistraße in Neu Fahrland. „Wer war Tschudi?“, fragte sich Arlt, lange Zeit aber lag die Antwort im Dunkeln. Es gab keine Dokumente, und Zeugen der Straßenbenennung waren nicht auffindbar oder schon verstorben. Ist sie vielleicht nach dem Schweizer Sozialrechtler Hans-Peter Tschudi benannt? Wegen dieser Vagheit in der Herkunft des Namens sollte die Tschudistraße sogar einmal in Inselstraße umbenannt werden, wofür sich jedoch keine Mehrheit fand. Arlt hat nun immerhin eine Vermutung. Die Straße könnte nach Georg von Tschudi benannt worden sein, der 1928 verstarb. Dieser Tschudi war ein großer Förderer der deutschen Luftfahrt. Er war Geschäftsführer der ersten Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) in Frankfurt/M. Und so rechnet sich der Regionalhistoriker den Werdegang aus: Eigentlich sollte die Straße nach dem Flieger Manfred von Richthofen benannt werden. Als dann eine andere Straße den Namen des „Roten Barons“ erhielt, könnte die Wahl auf Tschudi gefallen sein, immerhin sei ja der Luftfahrtbezug gewahrt, glaubt Arlt. Guido Berg

Das Buch „Die Straßennamen der Stadt Potsdam. Geschichte und Bedeutung“ von Dr. Klaus Arlt, herausgegeben durch die Studiengemeinschaft Sanssouci e.V., ist für 7.50 Euro in der Buchhandlung „Das Internationale Buch“, Friedrich-Ebert-Straße 41/42, erhältlich.

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