Aus dem GERICHTSSAAL: Whisky im Hosenbund
Anklage: Diebstahl mit Waffen / Bewährungsstrafe
Stand:
„Warum lügt der Mann? Hat er Angst, dass er seinen Job verliert?“, entrüstet sich Wladimir W.* (43) auf der Anklagebank lautstark. Oberstaatsanwalt Hildebrandt glaubt allerdings der Aussage des soeben gehörten Ladendetektivs. Sein Antrag: Acht Monate Freiheitsstrafe wegen Diebstahls mit Waffen für den in Potsdam lebenden Ukrainer, ausgesetzt zur Bewährung. Und damit es ein bisschen weh tut, 300 Euro Geldbuße. Amtsrichterin Monika Holk verzichtet auf das Verhängen einer finanziellen Sanktion für den Ein-Euro-Jobber. Sie hält die Mindeststrafe von sechs Monaten für angemessen, legt die Bewährungszeit auf zwei Jahre fest. Wladimir W. blickt mürrisch, obwohl er glimpflich davongekommen ist. Wütend schnappt er sich sein Formular mit der schriftlichen Rechtsmittelbelehrung, lässt es sich im Gerichtsflur von der Dolmetscherin übersetzen.
Am 22. November vorigen Jahres wurde der bereits zweimal wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe Verurteilte im REWE-Markt Am Stern dabei beobachtet, wie er sich zwei Flaschen Jonny Walker in den Hosenbund steckte, danach seinen langen Pullover darüber drapierte. Bei der anschließenden Durchsuchung des Langfingers kam neben dem Whisky im Gesamtwert von rund 26 Euro u. a. ein Springmesser mit einer 8,5 Zentimeter langen Klinge zum Vorschein.
„Das Messer habe ich immer dabei. Ich dachte, das ist erlaubt “, meint Wladimir W. Der Oberstaatsanwalt erwidert: „Normalerweise schon. Wenn allerdings Straftaten begangen werden, ist bereits das bloße Mitführen dieses als Waffe geltenden Messers verboten.“
„Ich habe keine Straftat begangen“, beteuert der Ukrainer erregt. „Ich hatte 100 Euro dabei und wollte den Whisky bezahlen. Es handelte sich übrigens nur um eine Flasche, nicht um zwei, wie es in der Anklage steht.“ Da er wegen der einen Flasche keinen Einkaufswagen nehmen wollte, habe er sie in die Innentasche seiner Jacke gesteckt, übrigens deutlich sichtbar für jedermann, wollte danach sein Geld heraussuchen. „Da kam auch schon der Detektiv. Der rief dann die Polizei“, so Wladimir W.
„Der Mann betrat den Markt und lief schnurstracks durch die Kassen zum Regal mit dem Schnaps“, erinnert sich der als Zeuge geladene Detektiv von REWE. „Unser Laden ist mit 24 Kameras ausgestattet. Da kann ich in jeden Winkel einsehen.“ Er habe beobachtet, wie sich der Angeklagte zwei Flaschen Jonny Walker griff, sich ein Stück entfernte, sie dann im Hosenbund verschwinden ließ.
„Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, warum der Zeuge lügen sollte“, so die Vorsitzende in ihrer Urteilsbegründung. „Er kennt Sie doch überhaupt nicht, hat also auch keinen Grund, Sie zu belasten.“ (*Name geändert.) Hoga
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