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Hans-Joachim Schoeps

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Homepage: Wider den Zeitgeist

Eine Tagung ehrte Hans-Joachim Schoeps

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Am Ende seines Lebens wünschte er sich, noch einmal durch die Straßen Potsdams spazieren und dem Klang des Glockenspiels der Garnisonkirche lauschen zu können. Als der Religionswissenschaftler Hans-Joachim Schoeps 1980 starb, glaubte niemand, dass die Glocken der abgerissenen Kirche je wieder von „Treue und Redlichkeit“ tönen würden. Hans-Joachim Schoeps hat daran geglaubt. Nicht nur das. Er, der Preußenfan, war auch fest davon überzeugt, dass die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten in naher Zukunft stattfinden würde.

Der Sehnsuchtsort des Vaters wurde zum Arbeitsplatz des Sohnes. Das reinstallierte Glockenspiel findet sich heute in Hörweite vom Moses Mendelssohn Zentrum, das der Sohn Julius H. Schoeps gegründet hat. Längst hat sich der Historiker einen eigenen Namen in der Wissenschaftslandschaft und in der politischen Öffentlichkeit der Bundesrepublik gemacht. Den Vater zu ehren, der im kommenden Winter 100 Jahre alt geworden wäre, lud die Gesellschaft für Geistesgeschichte, die Hans-Joachim Schoeps vor 50 Jahren gegründet hat und der der Sohn heute vorsteht, in der vergangenen Woche zu der Konferenz „Wider den Zeitgeist“ ein.

Für Schoeps war Zeitgeist eine zentrale Vokabel seines Denkens, er sah sich selbst vor allem als Ideenhistoriker und Geisteswissenschaftler im wörtlichen Sinn, dem Geist von Epochen auf der Spur. Als Religionswissenschaftler suchte er den wahren religiösen Geist bei den Häretikern des frühen Christentums und bei den sogenannten Judenchristen, die als frühe Reformbewegung des Judentums zwar untergegangen sind, für Schoeps aber eine bedenkenswerte Alternative darstellten.

In diesen Forschungsansätzen stand Schoeps Jacob Taubes überraschend nahe. Darauf wies Richard Faber hin. Wo Taubes jedoch als „anarchistischer Marxist“ die Religionsgeschichte analysierte, betrachtete Schoeps sie als konservativer Monarchist. Den einen interessierte der ideologische Gehalt ketzerischen Denkens, den anderen die historische Dimension ihrer Existenz – politische Theologen seien mithin beide gewesen.

Trotz eines Lehrstuhls für Religions- und Geistesgeschichte an der Universität Erlangen erlangte Schoeps nicht die erhoffte Anerkennung. Nach achtjährigem Exil war er aus Schweden zurückgekehrt und hoffte nun an dem Aufbau einer Gesellschaftsordnung teilzuhaben, die in seinem Sinn dem „wahren Geist“ nicht nur der Zeit, sondern Deutschlands entsprach. Dieser Geist sei preußisch, konservativ und monarchistisch. Was für Hans-Joachim Schoeps keineswegs im Widerspruch zur parlamentarischen Demokratie stand, wie Frank-Lothar Kroll nachzuweisen versuchte. Einer nivellierenden Massengesellschaft wollte Schoeps Elitebildung entgegensetzen, so Hans-Christian Kraus. Die wenigsten seiner Zeitgenossen mochten einen Unterschied zwischen dem von Schoeps imaginierten Kaiserprinzip und dem hitlerischen Führerprinzip sehen. Die einen aus Zustimmung, die anderen – wie die außerparlamentarische Opposition um 1968 – aus grundlegender Ablehnung. Ein homo politicus blieb Schoeps Zeit seines Lebens, auch wenn er sich zunehmend „wider den Zeitgeist“ verbittert isoliert sah, allenfalls von rechtskonservativen Denkern wie Armin Mohler und Kurt Ziesel geachtet.

Falsche Freunde, wie sein Sohn heute sagt, denn ein „Hitlerjude“, sei er trotz seiner deutschnationalen Einstellung nie gewesen, beharrte Julius H. Schoeps in seinem Abschlussvortrag. Die Nazis, die ihn als Abgesandten einer „jüdischen Weltverschwörung“ ansahen, bezeichnete Schoeps als „braune Bolschewisten“, als eine Besatzungsmacht auf deutschem Boden. Das wahre Preußen fand er im konservativen Widerstand verkörpert – und blieb selbst ein unzeitgemäßer Preuße. Allerdings gab schon 1958 Kurt Sontheimer zu bedenken, dass sich Hans-Joachim Schoeps davor schützen müsse, „als national-konservativer Jude mit preußischem Herzen zu einem Kuriosum der Zeitgeschichte zu werden.“ Lene Zade

Lene Zade

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