Aus dem GERICHTSSAAL: Widerborstiger BFC-Fan
Anklage: Widerstand gegen die Staatsgewalt / Sozialstunden
Stand:
„Ich wurde von den Beamten tätlich angegriffen. Dagegen habe ich mich natürlich gewehrt“, pariert Leon L.* (21) den Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anklage wirft ihm und seinem Kumpel Max M.* (22) vor, sich am 20. September vorigen Jahres der Staatsgewalt widersetzt zu haben. Nach einem Fußballspiel der Berliner Vereine Tennis Borussia gegen BFC Dynamo sollen sich die zwei Potsdamer Dynamo-Fans auf dem S-Bahnhof Messe Süd geweigert haben, auf Anweisung der Bundespolizei den überfüllten Waggon zu verlassen. Sie sollen sich an anderen Fahrgästen festgehalten, die Polizeibeamten geschlagen und getreten haben.
„Die Stimmung war ganz schön aufgeheizt“, erinnert sich der Mitangeklagte Max M. vor dem Jugendgericht. „Die Polizisten haben uns nicht gebeten auszusteigen, wie es die Staatsanwältin eben vorgelesen hat. „Die haben an mir herumgezerrt wie an einem Stück Vieh. Ich hatte gar keine Gelegenheit, mich zu widersetzen.“ Nachdem er von den Uniformierten gewaltsam auf den Bahnsteig befördert wurde, sei ihm gesagt worden, er könne jetzt gehen. Dann sei er allerdings festgenommen worden, so der Abendschüler.
Das Gericht glaubt die Notwehr-Version von Leon L. sowie die Unschuldsbehauptung seines Kumpels nicht. Max M., vorbelastet wegen Sachbeschädigung, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sowie Beleidigung, muss 60 Stunden unentgeltlich arbeiten. Leon L. – er geriet in der Vergangenheit wegen Beleidigung mit dem Gesetz in Konflikt – hat 40 Sozialstunden zu leisten.
„Wir waren zur Begleitung der heimreisenden BFC-Fans eingesetzt“, berichtet der Polizeibeamte Mario Z. (33) im Zeugenstand. „Es herrschte ein feindseliges Klima.“ In der S-Bahn sei es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beider Vereine gekommen. Über Funk habe er von der geplanten Festnahme der Angeklagten erfahren, dann gesehen, dass ein Kollege einen der beiden Potsdamer im Fesselgriff hatte. „Wenig später wurde der zweite ruhiggestellt.“ „Die BFC-Fans waren teilweise vermummt und sehr aggressiv“, erzählt ein anderer Beamter. Wer sich weigerte, den Anweisungen Folge zu leisten, wurde mit „einfacher körperlicher Gewalt“ aus dem total überfüllten Waggons entfernt. Wie widerborstig Leon L. und Max M. waren, vermag er nicht mehr zu sagen. Sein Kollege Michael T. (32) weiß hingegen noch, dass er einen der Angeklagten aus der S-Bahn holte. „Der hat sich mit Tritten und Schlägen dagegen gewehrt.“ Leider fehlt der Hauptbelastungszeuge, der die Aktionen der Angeklagten aus nächster Nähe beobachtet haben will. Das Gericht hat auch so genug gehört. (*Namen geändert.) Hoga
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: