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Von Erhart Hohenstein: Wie alt ist Potsdam wirklich?

Streit um Echtheit der Gründungsurkunde der Stadt Potsdam / Wissenschaftliche Untersuchung angeregt

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Im Jahr 2004 kritisierten die Mittelalterforscher Helmut Assing und Lutz Partenheimer, Uni Potsdam, die leichtfertige Ableitung von Ortsjubiläen aus umstrittenen oder sogar als Fälschung entlarvten Urkunden. Diese Feststellung konterte der Laienforscher Dietmar Franz mit dem Vorwurf, „Mittelalterpapst“ Assing selbst habe die Echtheit der Ersterwähnungsurkunde für Potsdam bestätigt, obwohl sie eine Fälschung sei. Er unterstellte dem Historiker, der Stadt als Auftraggeber ein Gefälligkeitsgutachten ausgestellt zu haben, um die 1000-Jahr- Feier Potsdams nicht zu gefährden. Angesichts seiner hohen Autorität habe kein jüngerer Historiker gewagt, Assings Feststellung zu widersprechen.

Diesen persönlichen Angriff wiederholte Franz am Dienstagabend in der „Arche“, als er sein in diesem Jahr im Mantis Verlag erschienenes Buch „Rätsel um Potsdams Ersterwähnung. Urkundenfälschungen auf Otto III.“ vorstellte. Mit großer Akribie ist der Computerfachmann darin allen Unsicherheiten zur Echtheit der Urkunde nachgegangen, mit der der 13-jährige König Otto III. 993 seiner Tante Mathilde, Äbtissin von Quedlinburg, „Poztupimi und Geliti“ schenkte. Die Schenkung betraf ein Gebiet, das damals dem deutschen König gar nicht gehörte. Assing setzt dagegen, dass Otto so seine Besitzansprüche gegenüber dem polnischen König Boleslav geltend machen wollte. Franz schreibt, zwischen Otto und Boleslav habe ein freundschaftliches Verhältnis bestanden. Dies allerdings schließt die Bekundung von Besitzansprüchen nicht aus. Frühestens im 13. Jahrhundert seien die deutsche Burg und Stadt Potsdam entstanden, meint Franz und verweist auf die Ergebnisse der archäologischen Grabungen auf dem Alten Markt. Doch dann habe der slawische Burgwall an der Burgstraße eben länger bestanden als bisher angenommen, entgegnet Assing. Laut Franz ist Poztupimi ein Phantasiename, den Ende des 13. oder erst im 14. Jahrhundert der Schreiber der gefälschten Urkunde erfunden habe, mit der nachträglich Besitzansprüche begründet werden sollten. Postupim werde Potsdam auf Tschechisch noch heute genannt, setzt Assing dagegen. Argumente und Gegenargumente ließen sich seitenweise fortsetzen.

Der Autor, der seine Aussagen als Tatsachen präsentiert, wirft Assing vor, seine Thesen im Konjunktiv vorzubringen. („Entweder weiß er etwas oder nicht.“) Doch damit macht es sich der Computerexperte zu einfach. Echtheitsprüfung und Interpretation einer mittelalterlichen Urkunde werden immer auch auf Spekulationen beruhen, die natürlich wissenschaftlich begründet sein müssen. Gerade darin hat sich Assing als äußerst penibel und streitbar erwiesen. Seine als wahr erkannten oder begründet angenommenen Forschungsergebnisse verteidigte er konsequent, so im Streit um die Datierung der Bistumsgründung in Brandenburg, wo er dem Jahr 948 unerschrocken das Jahr 965 entgegensetzte. Damit provozierte er heftige Angriffe, die keine Rücksicht auf seine Autorität nahmen. Der 74-jährige Historiker bedauerte, dass er ebenso wie Lutz Partenheimer keine Einladung zu dem Abend in der Arche erhalten habe. „Selbstverständlich hätte ich gern Rede und Antwort gestanden“, erklärte er gegenüber PNN.

Unbeantwortet blieb in der Diskussion zum Vortrag die Publikumsfrage, ob die Echtheit der Urkunde nicht durch eine Altersprüfung mittels moderner naturwissenschaftlicher Untersuchungen geklärt werden könnte. Wäre damit der Streit mit einem Schlag beendet? Auf PNN-Anfrage beim Potsdamer Uni-Institut für Geowissenschaften erklärte Privatdozent Uwe Altenberger, für den historisch geringen Zeitraum von etwa 300 Jahren würden diese Untersuchungsmethoden wohl nicht greifen. Er wies jedoch darauf hin, dass das Alter der Urkunde eventuell aus den Methoden der Papier(Pergament)fabrikation und der Tintenzusammensetzung ermittelt werden könnten. Für einen Sponsor wäre es eine dankbare Aufgabe, zur Klärung dieser spannenden Frage beizutragen.

Dietmar Franz, Rätsel um Potsdams Ersterwähnung. Mantis Verlag, Gräfelfing 2008, 136 Seiten zahlreiche Abbildungen, 12,90 Euro, ISBN 978-3-928852-35-7

Erhart Hohenstein

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