
© A. Klaer
Landeshauptstadt: „Wie aus einer anderen Welt“
Mehr als 2 000 Schützen aus ganz Deutschland zogen am Samstag mit einer Parade durch die Innenstadt und sorgten für offene Münder bei Zuschauern
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Hüte mit Federn und Gamsbärten, bunte Fahnen, mit Orden und Ketten betresste Traditionsuniformen oder marschierende Musikkappellen: Mehr als 2 000 Schützenvereinsmitglieder aus ganz Deutschland zogen am Samstagnachmittag mit einer Parade durch die Innenstadt. Ein seltener Anblick, der bei Potsdamern und Touristen für offene Münder sorgte.
„Ich habe so etwas auch noch nicht erlebt“, bekannte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der das ungewöhnliche Schauspiel anlässlich des 58. Deutschen Schützentages von der Tribüne am Brandenburger Tor aus verfolgte. Die Schützen und auch der am Samstag frisch gewählte Präsident des Deutschen Schützenbundes (DSB), Heinz-Helmut Fischer, bescheinigten dem Oberbürgermeister und der Stadt, „hervorragende Gastgeber“ zu sein. Der 48-jährige Jürgen Singer aus Gönningen in Baden-Württemberg, geschmückt mit der Kette des Bundesschützenkönigs, zeigte sich nach einer Busrundfahrt begeistert von Potsdam: „Ein ganz schöner Flecken Erde.“ Mit dem „Bundeskönigsball“ ging das Schützentreffen, das am Donnerstag begonnen hatte, am Samstagabend zu Ende.
„Sicheres Auge, sichere Hand und ein Herz fürs Vaterland“ – dieser auf zahlreichen Fahnen verewigte Reim umreißt das Anliegen der unübersehbaren Zahl der Schützengilden. „Es ist einmal der sportliche Bereich und zum anderen der Bereich des Brauchtums“, erläutert der Bundesschützenkönig. Laut Fischer hat der DSB 1,4 Millionen Mitglieder, insgesamt gebe es in Deutschland 2,5 Millionen Schützen. Der 71-jährige Präsident stammt aus Wipshausen in Niedersachsen. Er präsidiert ehrenamtlich, seinen Lebensunterhalt verdient er als Steuerberater.
Knallende und qualmende Böller der Hamburger Böllerschützen eröffneten am Luisenplatz den Umzug, an dem alle deutschen Landesverbände und eine Abordnung aus Polen teilnahmen. Einer der größten Verbände ist der Bayerische Sportschützenverband, zu dem 4 680 Vereine mit 470 000 Mitgliedern zählen. In Berlin-Brandenburg geht es bescheidener zu: 153 Vereine mit 6 900 Mitgliedern. Der älteste Schützenverein ist die Karl-Schützengilde aus Aachen: Als Gründungsjahr gilt 1198. Ein kleiner Trupp der Rathenower Schützengilde zeigte, dass es nicht immer Feuerwaffen sein müssen. Die Frauen und Männer waren mit Pfeil und Bogen präsent.
Die Zuschauer spendeten der Parade verhaltenen Beifall. „Die Uniformen, Orden und Fahnen kommen mir vor wie aus einer anderen Welt, wie aus anderer Zeit“, sagte eine Zuschauerin den PNN. „Das ist eben die Tradition“, meinte ihr Nachbar. Über den Umgang mit Waffen gebe es unterschiedliche Auffassungen.
Ein Drittel der DSB-Mitglieder sind Sportschützen, sagte Präsident Fischer. Aus diesem Kreis rekrutierten sich die Teilnehmer an den Olympischen Sommerspielen. Bei den Wettbewerben in London 2012 blieben die Deutschen allerdings ohne Medaillenerfolge.
Auf das Attentat des 19-jährigen Vereinsschützen Robert Steinhäuser mit 16 Toten und seiner Selbsttötung am 26. April 2002 in Erfurt angesprochen, sagte Fischer: „Das ist das Fehlverhalten einzelner Personen.“ Der DSB tue alles, um Waffenmissbrauch zu verhindern und habe die Verschärfung des Waffengesetzes unterstützt. Dass das Schützentreffen auf den Jahrestag des Attentats fällt, war im Vorfeld kritisiert worden (PNN berichteten). Fischer erwähnt, dass es einen Zulauf bei den „Schülerklassen“, im letzten Jahr um 210 Mitglieder, davon ein Drittel Mädchen, gebe. Schüler dürften nur mit Luftgewehren schießen. G.S.
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