Landeshauptstadt: „Wie das Münchner Oktoberfest“
Gastwirte und Händler im Holländischen Viertel wollen auf Sinterklaas- und Tulpenfest nicht verzichten
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Innenstadt - Die Händler im Holländischen Viertel sind entsetzt: „Das kann die Stadt sich gar nicht leisten, das ist doch als würde man in München das Oktoberfest streichen“, sagt Barbara Ebeling, die in der „Second Hand Boutique“ arbeitet. Wie die meisten Gewerbetreibenden hat auch sie erst aus der Zeitung davon erfahren – weder das traditionsreiche Sinterklaas- noch das Tulpenfest werden in diesem und im nächsten Jahr stattfinden.
Das hatte, völlig überraschend, Hans Göbel, Chef des verantwortlichen Fördervereins zur Pflege niederländischer Kultur in Potsdam, den PNN am Montag bestätigt. Damit geht für Ebeling ein Stück Potsdamer Kultur verloren. „Dann ist hier alles tot.“ Aber nicht nur das, für die Händler bedeutet der Ausfall auch einen finanziellen Verlust: „Die beiden Feste machen einen Großteil unseres Geschäftes aus, gerade die zwei Tage Sinterklaas im Winter“, sagt auch ihre Kollegin Gabriele Merren, die die Boutique Ti Mijoilis in der Mittelstraße betreibt. „Dann ist die Straße hier eh so dunkel, da traut sich doch kaum jemand rein.“ Viele fänden erst über den Weihnachtsmarkt wieder den Weg in die kleinen Läden, Cafés und Kneipen dort.
Göbels Gründe sind für die meisten Unternehmer im Viertel allerdings nachvollziehbar – sie sind vor allem wütend auf die Stadt. Die mache das Holländische Viertel sukzessive kaputt, schimpft Merren. „Und der Oberbürgermeister sagt lediglich, es sei schade drum.“ Die Verwaltung, findet Merren, sollte lieber überlegen, wie sie es dem Veranstalter leichter machen könnte.
Göbel hatte bei einer Pressekonferenz am Mittwoch geklagt, das wirtschaftliche Risiko liege allein bei ihm, dem Veranstalter. Der Faktor Glück, vor allem beim Wetter, sei auf Dauer keine verlässliche finanzielle Basis. Er geht für beide Feste von einer Gesamtsumme von knapp 100 000 Euro aus – würden die über die Stadt oder Sponsoren zusammenkommen, könnte man auch wieder auf den Eintritt verzichten. Um das zu finanzieren, hatte Göbel vorgeschlagen, auch Einnahmen aus der von der Stadt geplanten Tourismusabgabe zu verwenden.
Das halten nun wiederum die Händler für Unfug. „Warum sollten wir Händler das mitbezahlen, während die Stadt so viel Geld für Unsinn ausgibt“, sagt Ralf Hildebrandt, Chef der „Hohlen Birne“. Potsdam profitiere schließlich nicht nur durch Gebühren und die Umsatzsteuer von den Festen – viel größer sei der ideelle Nutzen: Das Ansehen, das sich die Stadt in den vergangenen 18 Jahren mithilfe der Feste auch international erworben habe, könne man über andere Marketingstrategien kaum erreichen, findet Hildebrandt. Das Ganze nun einfach aufzukündigen, noch dazu ohne vorher mit den Händlern zu sprechen, findet er unmöglich. „Das ist ein bockiges Verhalten.“
Göbels Klage über die immer komplizierteren Genehmigungsverfahren und kurzfristig verschärften Sicherheitsmaßnahmen kann Hildebrandt ebenfalls nicht ganz nachvollziehen: „Dass die Feuerwehr durchkommen muss, ist doch normal und die Kooperation mit den Händlern hat bislang immer geklappt.“ Trotzdem sei professioneller Beistand nötig.
Das glaubt auch Wolfgang Cornelius von den Potsdamer Demokraten. Er will sich in der kommenden Woche mit Göbel zusammensetzen und nach einer Lösung suchen. „Über den Eintritt und die Einnahmen der Stände könnte eine professionelle Agentur bezahlt werden, die sich um den Papierkram kümmert“, sagte er den PNN am Freitag. Auch rechtlich dürfe die ganze Verantwortung nicht allein auf Göbel lasten. Der verdiene an den Veranstaltungen schließlich nichts, mache alles ehrenamtlich.
Auch die Händler überlegen, wie die Feste eventuell gerettet werden könnten. Um eine eigene Veranstaltung für das Holländische Viertel aufzuziehen, fehlt es an der Kooperation, glaubt Janine Schubert-Kandzorra, Chefin des „Gaumenschmaus“. Nicht nur zwischen den Händlern untereinander, auch vonseiten der Stadt. „Und das, obwohl hier alle von solchen Festen profitieren.“
Ähnlich wie sie denken die meisten: „Wie ziehen nicht alle an einem Strang, viele halten sich raus, jeder macht sein Ding.“ So oder so ähnlich klingt es, wenn man sich umhört, bei den Händlern. Eigentlich, scheint es, wollen alle dasselbe: ein paar schöne Feste im Jahr, um Kunden und Touristen anzulocken, den eigenen Laden bekannter zu machen, sich auszutauschen.
Woran es scheitert? „Jeder kämpft für sich“, sagt Gabriele Merren. Angesichts der wirtschaftlichen Lage sei das verständlich. Dabei gibt es Ideen genug, auch wenn nicht alle ganz ernst gemeint sind: „Sollte sich wirklich keine Lösung finden, ziehe ich ein Biertulpenfest mit meinen 40 Biersorten auf“, sagt Ralf Hildebrandt.
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