Landeshauptstadt: Wie das Schloss zum Landtag wurde
Der Historiker Joachim Castan hat exklusiv für die PNN einen Film über den Weg zum Bau des Landtagsschlosses gedreht
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Ein Haus, sagt der Architekt Peter Kulka, macht niemanden zu einem guten oder schlechten Menschen. Mit diesem speziellen Haus aber, dem Nachbau des Potsdamer Stadtschlosses, hat er es immerhin geschafft, eine ganze Menge Menschen mit den unterschiedlichsten Absichten, Wünschen und Vorstellungen schlussendlich zu versöhnen. Wie das gelang, zeigt der Film „Das neue Potsdamer Stadtschloss – wie aus Vergangenheit Zukunft wurde“, den der Osnabrücker Historiker und Filmemacher Joachim Castan exklusiv für die PNN produziert hat. Am Freitagabend hatte er im Le Manège im Kutschstallhof am Neuen Markt seine Premiere.
Gekommen waren rund 150 interessierte Potsdamer, die meisten von ihnen hatten den langwierigen und spannungsgeladenen Prozess der Entstehung aufmerksam verfolgt. So wie Bettina Minklein. „Ich finde es großartig, dass Castan das Engagement der Potsdamer hier so schön festgehalten hat“, sagte sie nach der Premiere. Das sei ein Gewinn nicht nur für die heutigen Generationen, die den Wiederaufbau selbst miterlebt hätten, sondern vor allem auch für die später Geborenen. Und auch wenn das Werk auf DVD noch viele Menschen erreichen wird, sei es schade, so Minklein, dass am Freitagabend relativ wenige in den Kutschstallhof gekommen waren.
Das Engagement für den Wiederaufbau der historischen Potsdamer Mitte, wie es vor allem die Bürgerinitiative Mitteschön in der Vergangenheit unter anderem mit stimmungsvollen Dinner-Demos verfolgte, findet Minklein, dürfe sich jetzt nicht erschöpfen. Jetzt, wo das Stadtschloss stehe, passe das Gebäude der Fachhochschule einfach nicht mehr in die Potsdamer Mitte, „es stört die Sichtachsen und das gesamte Umfeld des Schlosses“, findet Minklein. Damit streifte sie gleich eines der Grundstreitthemen, die auch Castans Film so konzise auf den Punkt bringt.
Vier Positionen habe es gegeben, erinnerte sich der Historiker und Filmemacher am Freitag: Diejenigen, denen Potsdam ein Gesamtkunstwerk aus dem 18. Jahrhundert ist, dass durch das fehlende Schloss eine architektonische Wunde aufweist. Eine von ihnen ist Barbara Kuster, Sprecherin der Bürgerinitiative Mitteschön: „Potsdam wäre ohne seine Schlösser nicht mehr als irgendein anderer Endpunkt der Berliner S-Bahn“, sagt sie im Film. Anders sahen es diejenigen, denen der Aufbau vor allem zu kostspielig war, wie etwa Lutz Boede von der Wählergemeinschaft Die Andere. „Im Selbstverständnis der Stadt stimmt vieles nicht“, sagt er – und es wird klar: Er ist bis heute nicht mit dem Projekt versöhnt.
Die Landespolitik hatte sich zunächst einen modernen Neubau gewünscht – und wollte während der Bauarbeiten dann immer noch mehr Räume in die historische Fassade hineinquetschen. Und dann gab es noch die Architekten, die den Nachbau von zerstörten Gebäuden meist ohnehin kategorisch ablehnten, so Castan. Auch Peter Kulka sagt: „Ich hatte zunächst Bauchschmerzen, denke heute aber, dass wir sehr schön Altes und Neues vereint haben.“
„So viel Friede, Freude, Eierkuchen, das war lange nicht absehbar“, sagte deshalb auch Historiker Hans-Joachim Kuke nach der Premiere am Freitagabend – sichtlich gerührt. „Mit Peter Kulka war es schon hart am Anfang“, erinnerte sich der Aktivist vom Verein Potsdamer Stadtschloss. Ähnlich wie seine Mitteschön-Mitstreiterin Barbara Kuster hatte auch er biografische Gründe, sich für den Wiederaufbau einzusetzen: Er promovierte über den Architekten des Fortunaportals, Barbara Kuster kennt das Original noch aus ihrer Kindheit. Für die beiden also stimmt der Satz, der ganz zu Beginn des Films aufkommt.
„Kann Geschichte neue Identität stiften“, heißt es da, und die Frage bezieht sich nicht nur auf einzelne, die das Schloss noch im Original erlebt haben, sondern auch auf die Stadt als soziales Konstrukt. Deshalb wohl stellten sich genau diese Frage wohl viele Potsdamer, als das Projekt dank einer großzügigen Spende von Günther Jauch langsam in die Gänge kam. Der TV-Moderator stiftete das Fortunaportal und gab damit die Initialzündung zum Wiederaufbau.
Mit Interviews sowie alten und neuen Filmaufnahmen macht Joachim Castans Film ganz unaufgeregt und plausibel deutlich, wie sich aus teilweise widersprüchlichen Wünschen ein Haus – das Potsdamer Landtagsschloss – formte.
Selbst Zweifler müssen angesichts der spektakulären Luftaufnahmen heute einräumen, dass die Knobelsdorff-Fassade von einer erhabenen, zeitlosen Schönheit ist. Um die Bilder zu bekommen, heuerte Joachim Castan zu Jahresbeginn Thomas Rosenthal an. Für die Aufnahmen mit der unbemannten Drohne mussten sie fünf Genehmigungen einholen, für etwaige Schäden beispielsweise, die die Drohne am Bauwerk hätte verursachen können, eine Versicherung über drei Millionen Euro abschließen. Und dann hätte beinahe das Wetter nicht mitgespielt, erinnert sich Rosenthal: Mitten im Januar war es regnerisch, windig, grau. „Doch die Genehmigungen waren da, also mussten wir fliegen“, sagte er den PNN. Und tatsächlich riss zum Drehtermin der Himmel auf, die Fenster blitzen in der Sonne und das Stadtschloss strahlt besser als in jedem Werbefilm.
Für Rosenthal, der aus Berlin kommt, war das Ergebnis, der fertige Film, eine Überraschung: „Die historischen Farbaufnahmen, die Castan aufgetrieben hat, die Bilder des Aufbaus im Zeitraffer, all das ist ein spannendes Geschichtsdokument, das ich sicher bald meiner Tochter zeigen werden“, sagte er am Freitag nach der Premiere.
Bei all der Harmonie freute man sich fast ein wenig über den Eigensinn, den sich der Dresdener Architekt Peter Kulka bei all dem Unter-einen-Hut-bringen doch gegönnt hat. „Mit dem Inneren wollte ich ein wenig Widerstand gegen die allgemeine Erwartungshaltung leisten“, sagt er im Film. Denn hinter der barocken Fassade verbirgt sich puristisches, strahlendes Weiß. Die sehr kargen, klar strukturierten Räume, die er geschaffen hat, sollen ein Kontrapunkt zum barocken Äußeren sein. Ein wenig hofft Kulka auch auf die bildende Wirkung der Moderne. Im Fall des märkischen Wappentiers, dem Adler, den er in modernem Weiß statt korrektem Rot in den Plenarsaal hängen ließ, mag diese Hoffnung enttäuscht worden sein – das Parlament hat bekanntlich vor wenigen Tagen die Entfernung beschlossen. Trotzdem hat Kulka eines geschafft: Die skeptischen und die originalverliebten Potsdamer mit dem neuen, alten Schloss zu versöhnen.
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