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Aus dem GERICHTSSAAL: Wie ein Paket verschnürt

Mord an Rentnerin: Staatsanwalt fordert lebenslänglich für den Haupttäter

Stand:

Aus dem GERICHTSSAALMord an Rentnerin: Staatsanwalt fordert lebenslänglich für den Haupttäter „Wir haben vorher abgesprochen, wie wir es machen wollen, fesseln, kleben, aber keine Gewalt. Dann ist es anders gekommen, wie man sieht“, erinnerte sich Detlef W. (48) gestern an das Geschehen in der Wohnung der Rentnerin Helga B. und bat das Gericht um eine Pause. Nach ein paar Minuten hatte er sich wieder im Griff, berichtete, wie er und Raphael F. (20) am Abend des 2. März 2004 an der Wohnungstür der 71-Jährigen Am Alten Markt 10 klingelten, er die Gehbehinderte zurück in den Flur stieß, ihr die Hand auf den Mund legte, die Frau dann mit einer mitgebrachten Schnur fesselte, ihr mehrfach eine Farbbüchse über den Kopf schlug. Während dessen habe Raphael F. in einem Schrank eine Rolle Paketklebeband entdeckt. Gemeinsam habe man den Oberkörper der sich heftig Wehrenden damit umwickelt, auch Hals, Mund und Nase nicht ausgespart. Raphael F. sei auf die Idee gekommen, auch noch die Beine des Opfers zu umwickeln, „damit sie damit nicht klopfen kann“, habe dann die Wohnung nach Geld durchsucht, 50 Euro und Lebensmittel eingesteckt. Vor Verlassen des Tatortes habe er der reglos am Boden Liegenden die Verklebung an der Nase entfernt, so Detlef W. Später habe der Jüngere ihm dann gesagt, er habe Frau B. die Nase wieder zugeklebt und sei auch noch „in sie reingelatscht“. „Ich wollte nicht, dass sie stirbt. Eigentlich wusste ich in diesem Moment schon, dass ich zu weit gegangen bin“, erklärte der Angeklagte gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. Alexander Böhle. Während er in der Vergangenheit Straftaten begangen habe, um ins Gefängnis zu kommen, sei er diesmal wirklich schockiert gewesen. Er und Raphael F. hätten lediglich vorgehabt, die als wohlhabend Geltende auszurauben und mit dem erbeuteten Geld nach Spanien zu fahren. Böhle attestierte dem bereits wegen versuchten Mordes vorbestraften Detlef W. in seinem gestrigen Gutachten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit antisozialen, schizoiden sowie paranoiden Zügen. Er schloss eine verminderte Steuerungsfähigkeit des zur Tatzeit mäßig unter Alkohol Stehenden nicht aus, verwies allerdings auch auf ein geplantes, zielgerichtetes Vorgehen. Zuvor hatte Rechtsmediziner Dr. Dietmar Schröpfer dargelegt, Todesursache von Helga B. sei „Ersticken bei Bedeckung der Atemwege und Kompression der Halsweichteile“ gewesen. „Die Frau war wie ein Paket verschnürt. Sie hatte nicht die geringste Chance, sich zu wehren.“ Der Tod der schwer Herzkranken sei nach spätestens zehn Minuten eingetreten. Staatsanwalt Peter Mitschke schloss in seinem Plädoyer nicht aus, dass Helga B. noch lebte, als die Täter ihre Wohnung verließen. „Sie haben eine schwerbehinderte, sterbende Oma zurückgelassen. Sie hätten sie retten können, wenn sie gewollt hätten.“ Helga B. sei an einem Ort überfallen worden, wo man sich normalerweise sicher fühlt, in der eigenen Wohnung. „Die Staatsanwaltschaft geht von zwei gemeinsam handelnden Tätern aus, von denen einer – Detlef W. – der Anführer gewesen ist.“ Allerdings habe Raphael F. zu jeder Zeit des Geschehens gewusst, was passierte. Zudem habe er einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet, indem er das Klebeband besorgte. „Ich vermute, dass es – einmal angebracht – nicht wieder entfernt wurde. Das ist nämlich kaum möglich“, betonte Mitschke. Er beantragte, Detlef W. wegen Raubes mit Todesfolge sowie Mordes aus Habgier zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Raphael F. solle eine Jugendstrafe von sieben Jahren erhalten. Das Urteil ergeht voraussichtlich morgen. G. Hohenstein

G. Hohenstein

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