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Aus dem GERICHTSSAAL: „Wie in Klein Palermo“

Bosnier erpresste Geld von Mitschülern/Bewährung

Stand:

„Sie führen sich auf wie in Klein Palermo. Dem muss Einhalt geboten werden“, stellt der Staatsanwalt klar. Die Vorsitzende des Jugendschöffengerichts spricht von Straftaten auf niedrigster sittlicher Stufe. Allerdings setzt sie die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe gegen Dragan D.* (19) wegen räuberischer Erpressung für die Dauer eines Jahres zur Bewährung aus. In diese Entscheidung wird ein Urteil, das im April gegen den Bosnier erging, einbezogen. Dragan D. – so mutmaßt die Richterin – habe seine wilde Zeit wohl hinter sich gelassen. Er begann eine Lehre zum Karosserie- und Fahrzeugbau-Mechaniker, hat eine Wohnung am Schlaatz und eine feste Freundin.

Im Frühjahr letzten Jahres verbreitete der kräftige junge Mann hingegen noch Angst und Schrecken unter seinen Mitschülern, forderte unter Gewaltandrohung Geld von ihm körperlich deutlich Unterlegenen. 50 Euro erpresste er am 10. April 2008 laut Anklage von einem Gleichaltrigen. Der hob die Summe aus Furcht vor Schlägen noch in der Hofpause von seinem Konto ab und übergab sie dem Angeklagten. Eine weitere Geldforderung (für die wurde Dragan D. vom Landgericht verurteilt) verlief nach dem gleichen Muster. Als Motiv gab er damals an, er habe einen mit Drogen dealenden Schüler bestrafen wollen. Das will der Angeklagte dem Gericht auch während der gestrigen Verhandlung weismachen. „Hatten Sie die Absicht, das Geld einem Drogenverein zu spenden?“, fragt die Vorsitzende. Dragan D. gibt klein bei. „Das war eine dumme Sache von mir“, räumt er ein. Inzwischen habe er seinem Opfer 20 Euro zurückgezahlt und sich entschuldigt. „Ich habe erst fünf Euro bekommen“, beteuert Paul P.* (19). Weitere Angaben muss ihm die Richterin förmlich aus der Nase ziehen. Der Kochlehrling meidet jeglichen Blickkontakt zum Angeklagten. „Warum haben Sie ihm überhaupt Geld gegeben?“, hakt die Vorsitzende nach. „Er hat gedroht, das er mich boxt. Außerdem hat er mit vier Leuten vor der Sparkasse gestanden“, begründet Paul P. sein Tun. Einer der Mitschüler, die Dragan D. zum Kreditinstitut begleiteten, soll Tobias T. (18) gewesen sein. Im Zeugenstand leidet er unter totalem Gedächtnisverlust. Auch die Mahnung der Vorsitzenden, ihn zur Stärkung seiner Erinnerung in Beugehaft nehmen zu können, bringt nicht viel. „Ich war bei Rewe, um mir etwas zu essen zu kaufen. Die Sparkasse ist zwar in der Nähe, aber was dort passiert ist, habe ich nicht gesehen“, versichert er.

Das Urteil gegen Dragan D. ist bereits rechtskräftig. Er hat jetzt zwölf Monate Zeit zu zeigen, dass er aus der Vergangenheit gelernt hat. Und er muss Paul P. binnen zwei Monaten die ihm zustehenden 45 Euro zurückzahlen. Sonst setzt sich das Gericht erneut zusammen. (*Namen geändert.) Hoga

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